Antigone


Zur Kritik von
Abendblatt
Welt
mopo

www.hamburgtheater.de

Ungeheure Menschen

Kreon (Jörg Pose) hat den Anspruch ein guter Herrscher zu sein. Er will es besser machen als seine Vorgänger. Liebevoll umstreicht er am Tisch seine Untergebenen und Familienangehörigen. Er stellt sich mit ihnen auf gleiche Stufe, liefert sich kleine Schaukämpfe wie unter kräftemessenden Jugendlichen. Doch fällt er eine Entscheidung, die ihren Widerspruch hervorruft. Er will den verstorbenen Antigones und Ismenes Bruder von nicht beerdigen lassen, da dieser Schuld auf sich geladen hat. Antigone rebelliert als einzige laut gegen diese Entscheidung. Sie widersetzt sich dem Herrscher, der ihr Onkel und künftiger Schwiegervater ist. Saß sie noch gerade bei Kreon auf dem Schoß und schmuste mit ihm, so wird seine Umarmung zum Würgegriff, als er davon erfährt. Auch seine Nichte soll die Strafe erleiden, die er auf Zuwiderhandeln gesetzt hat: den Tod. Er als gerechter Monarch erlaubt sich nicht, bei Familienangehörigen mit zweierlei Maß zu messen.

Steht es der jungen Frau zu nur ihrem eigenen Urteil nachzugehen oder sollte sie Kreon vertrauen, der die Ordnung wieder herstellen möchte und dabei auf persönliche Gefühle keine Rücksicht nehmen darf? Sie steht zu ihrer Überzeugung, das einzig Richtige zu tun. Sie beerdigt ihren Bruder und wird dafür in ihre eigene Gruft eingekerkert. Doch Kreon ist zur Selbstkritik fähig. Nachdem er die Götter befragt hat, gelangt er zur Einsicht, dass seine Starrköpfigkeit nur weiteres Unheil über den Staat bringen wird. Jedoch sein Einlenken kommt zu spät. Antigone hat sich in ihrer Steingruft erhängt und sein Sohn sich aus Gram darüber erstochen.

Christine Eder ist bekannt für punktgenaue, psychologisch feine Studien. Sie enttäuscht auch diesmal nicht. Sie hat es mit ihrem Darstellerteam hervorragend verstanden die Konfliktlinien der Personen heraus zu arbeiten. Auf eine Stunde verknappt geht die Inszenierung konsequent den einzelnen Persönlichkeiten und ihren Handlungsmotiven nach. Die Szenerie ist schlicht: Wie um einen Probentisch herum sitzen die Schauspieler in ihren bunten Arbeiter-Anzügen. Nur ein paar Knabbereien und Getränke stehen bereit. Rückwand und Fußboden deuten durch einen transparenten fließenden Stoff mit Steinmuster die Gruft an. Hier darf die Annäherung an die antiken Figuren erprobt werden. Die wunderschöne Sprache von Sophokles in der Übertragung von Peter Krumme kann bei Eders konzentrierter Arbeitsweise gut zur Entfaltung kommen. Das liegt nicht zuletzt an den hervorragenden Darstellern. Besondern Anna Blomeier und Jörg Pose beeindrucken in ihrer ausdrucksstarken Interpretation. Das Publikum honorierte dies bei der Premiere am Montag mit lang anhaltenden Applaus.

Birgit Schmalmack vom 27.9.05