Don Quichote in der Stadt


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Es lohnt sich Träume zu haben!

Ein hagerer Bücherwurm (Hans Löw) durchforstet seine Regale nach neuen Schätzen. Seine Freundin (Natali Seelig), die letzte Verbindung zur Außenwelt, fordert ihn auf: Geh raus und sieh dir die Welt an! Was brauche ich die Welt, ich habe meine Bücher, sie zeigen mir, wer ich sein kann, entgegnet er. Und so geschieht es: Der Bücherwurm wird zum Ritter Don Quixote, zu dem Helden seiner Bücher, der gegen die Ungerechtigkeit in der Welt selbstlos zu Felde zieht. Sein kleiner, enger Bücherraum weitet sich im Thalia-Theater zu einem weißen Kathedralenhalbrund. Sein Freund Sancho Pansa und das Pferd Rosinante (Verena Reichhardt) gesellen sich zu ihn. Quixotes Rüstung, Speer und Schild sind genau wie die Kostüme seiner beiden Genossen aus Papier zusammen geleimt. Die Fantasie und Ideen der Bücher sind seine Waffe und sein Schutz. Mit diesen papiernen Idealen macht er sich auf in seinen selbsterwählten Kampf für die Freiheit. Dass er dabei auch Menschen befreien will, die diese Freiheit nicht zu schätzen wissen, ist ihm einerlei. Der gute Wille zählt. Mag er auch gegen Windmühlen kämpfen, er fühlt sich auf der richtigen Seite.

Im ersten Teil vor der Pause lässt sich Regisseur Kriegenburg viel Zeit. Das Spiel mit interessanten Drahtgestellen nimmt viel Raum ein. Ebenso umständliche Slapstickeinlagen, die mitunter schon die Grenze zum Klamauk überschritten haben. Doch im zweiten Teil dringt er mit den Texten von Dea Loher und der Musik von Simonetti immer weiter in den spannenden Kern seiner Quixote-Kollage ein: Der Ritter von der traurigen Gestalt trifft endlich in der Stadt ein und wird von ihren turbulenten Geschehnissen eingezogen und abgestoßen. Mutlos geworden will er sich unter Papierbergen begraben. Doch sein Alter Ego (Jörg Koloswsky) feuert in fulminanten Rapsong wieder an: Auch für einen Ritter der Stadt gibt es immer noch viel zu tun. Stehe auf! Quixote wird zu einem Hippie-Träumer, der seinen Idealen treu bleiben kann, auch wenn er immer ein Außenseiter bleiben wird. Gerade im letzten Teil kann das brillante Ensemble (mit: Paula Dombrowski, Judith Hofmann) zu Höchstformen auflaufen. In eindrucksvollen Songs, einfühlsamen Balladen und einem mitreißenden Besenballett fängt es das Publikum zum Schluss für seine Botschaft ein. Es lohnt sich Träume zu haben!

Birgit Schmalmack vom 21.11.05