"Die Gerechten"


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Politisches Theater

Jeder der rund siebzig Zuschauer sitzt bei Jette Steckels Diplom-Inszenierung auf Kampnagel in der ersten Reihe. In einem Kreis sind die Stühle um den Aktionsplatz der fünf Schauspieler in der Mitte aufgestellt. Sie bilden eine Arena für das Geschehen, sind aber zugleich Beteiligte und Jury. Sind die fünf Revolutionäre, die die Machtherrschaft des russischen Großfürsten beenden "die Gerechten"? Müsste nicht jeder, der sich dieses Titels ebenfalls würdig erweisen möchte, nicht wie sie zur Aktion schreiten? Doch welche Mittel sind dabei erlaubt? All diese Fragen stellt Albert Camus in seinem hoch verdichteten Theaterstück "Die Gerechten" nach den historischen Vorfällen im Russland Anfang des 19. Jahrhunderts.

Die Fünfer-Gruppe ist sich in diesen Fragen nicht einig: Iwan ist bereit einen Menschen zu töten, aber scheut vor dem Mord an einem Kind zurück. Stepan (Renato Schuch) dagegen sieht jedes Menschenopfer für die gute Sache als gerechtfertigt an. Alexej merkt, dass er der Gewaltspirale immer skeptischer gegenübersteht und verlässt die Kämpfertruppe. Dora, die einzige Frau unter ihnen, hofft auf ein wenig Liebe in ihrer eingeschworenen Gemeinschaft. Der Anführer Boris versucht die Meinungsfindung diplomatisch zu dirigieren ohne den Erhalt der Gruppe zu gefährden.

Sean McDonagh fasziniert als Darsteller des Bombenwerfers Iwan. Mit vollem Körpereinsatz erzeugt er im Zusammenspiel mit den anderen eine Spannung, die sich hautnah auf die immer Zuschauer überträgt.

Beim Eintreten in die Halle wurde jedes Gesicht der Zuschauer eingescannt. Zum Schluss werden alle mit denen der Schauspieler an die weißen Wände der Halle geworfen. Keiner kann sich in einer vernetzten Welt vor der Verantwortung drücken. Jeder muss sich den Fragen der "Gerechten" stellen. Eine herausragende Arbeit im Rahmen der "Weibstücke", die Jette Steckel hier vorgelegt hat.

Birgit Schmalmack vom 27.3.07