Mala Zementbaum


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Realitäten erschaffen

Wie kommt ein Anarcho zur Stasi? Ist er als Opfer der Umstände zu bemitleiden oder als Täter zu verurteilen? Thomas Lawinky und Armin Petras spüren anhand von Lawinkys autobiographischen Material dieser Entwicklung in der DDR nach.

Doch Lawinky spielt in der Produktion des Maxim Gorki Theater aus Berlin, das ein Gastspiel im Thalia in der Gaußstraße gab, nicht Homer, den angeworbenen Stasi-Mitarbeiter, sondern seinen Führungsoffizier Kevin. Als Homer steht ihm Gunnar Teuber gegenüber, dem man keinesfalls unterstellen kann, dass er Lawinky nachahmen würde. Er gibt den unsicheren Normalo, der mit Lawinkys Brachialauftreten wenig Gemeinsamkeiten hat. Dafür zeigt der Führungsoffizier Kevin eher seinen Unlust an vielen Worten und seine Lust zum schnellen, harten Schlag.

Doch Petras und Lawinky genügte diese Draufsicht auf die Verstrickungen und Entwicklungen zwischen Werber und Angeworbenen nicht. Sie stellten dieses Beziehungsgeflecht in einen neuen Rahmen: Moderiert werden die Beiden nämlich von einem Intellektuellen, der sie zu Versuchskaninchen für sein Weltprojekt angeheuert hat. Wie kann man Menschen lenken und manipulieren, so dass sie sich mit der dahinter stehenden Botschaft identifizieren, lautet seine Frage, zu deren Beantwortung er die beiden Experten in Sachen "Erschaffen neuer Realitäten plus entsprechendem Menschenmaterial" braucht.

Den Titel bekam das Stück durch eine dritte Geschichte, die sich so tatsächlich ereignet hat: Die Geschichte von der Jüdin Mala Zementbaum, der es gelang mit ihrem Ehemann aus dem KZ zu fliehen.

Die erste Ebene hätte wohl für ein interessantes Theaterstück schon vollkommen ausgereicht. Durch die zwei weiteren musste Regisseur Milan Peschel hinnehmen, dass der Fokus immer wieder verschwamm. Interessante Gedankengänge wurden angespielt, dann aber schnell durch wilde Actionszenen mit Schlägen, Rangeleien und Blut unterbrochen oder durch den ideologisch-akademischen Überbau verzerrt.

Birgit Schmalmack vom 8.6.07