Kollaboration


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Unschuldig schuldig werden

Um "collaboration" (Zusammenarbeit) geht es in dem Stück des englischen Autors Ronald Harwood gleich in dreifacher Hinsicht: Der Komponist Richard Strauss arbeitet mit dem Dichter Stefan Zweig als Librettisten seiner Opern zusammen. Gleichzeitig arrangiert er sich als Reichsmusikkammerpräsident mit dem Nazi-Regiem, um seine jüdische Schweigertochter nicht zu gefährden. Und der in die Emigration gezwungene Jude Zweig arbeitet schließlich dem Ziel der Nazis in die Hände, indem er in Brasilien mit seiner Lebensgefährtin Selbstmord begeht und die Kulturvernichtung weiter Vorschub leistet.

Zweig, der sich stets als Europäer fühlte und seine Identität auch als kulturelle Verpflichtung begriff, fühlte sich aller seiner Wurzeln beraubt, als er mit ansehen musste, wie die Nazis seine geliebten europäische Kultur auszurotten versuchten. Er warf seinem Freund und Künstlerkollegen Strauss immer wieder Naivität und Blauäugigkeit vor. Dieser versuchte stets sich in seiner Arbeit von den Regierengen nicht stören zu lassen und kümmerte sich nicht um die Politik. Er verschanzte sich in seinem Elfenbeinturm der Kunst.

Doch auch er erlebte mit seiner gradlinigen Frau Pauline Zeiten, in denen eine Nicht-Stellungnahme schon als Verrat galt. So zeigt Harwood Strauss in der letzten Szene vor dem amerikanischen Entnazifizierungsgericht. Obwohl es diese Szene so nie gegeben hat, gehört sie mit zu den eindrucksvollsten des Abends. Hier verteidigt sich ein Deutscher, der sich unschuldig glaubt und dennoch durch Wegschauen und Nicht-Einmischen schuldig geworden ist. Es ist die große Stärke des Textes und der Inszenierung durch Yves Jansen, dass es schafft diese menschliche Verstrickung des persönlichen mit dem politischen Schicksals aufzuzeigen und dessen Entwicklungsprozess nachvollziehbar zu machen. Wolf Aniol spielt den Strauss mit bärbeißigen, direkten Charme, Claudia Amm seine Ehefrau mit durchsetzungsfähiger Klugheit, Henry Arnold den Zweig mit intellektueller Sensibiliät und Marie Kienecker seine Lebensgefährtin mit huldvoller Ergebenheit. Eine berührende Inszenierung, der man mit ihrer inhaltlichen Brisanz viele Zuschauer wünscht.

Birgit Schmalmack vom 22.5.09