Herr Puntila


www.hamburgtheater.de

Anfälle von Nüchternheit

Den schlechten Puntila ertränkt der Gutsherr regelmäßig im Alkohol, um den guten Puntila zum Vorschein bringen zu können. Der Kapitalist kann seine Menschlichkeit nur zeigen, wenn er als unzurechnungsfähig gilt. Nur dann kann er sich erlauben die Normen der säuberlichen Trennung zwischen Herrschaft und Dienerschaft, zwischen oben und unten außer Kraft zusetzen. Dann wird er zutraulich zu seinem Knecht Matti. Dieser betrachtet sein Spiel eher distanziert und fürchtet sich vor den Verbrüderungen, die im nüchternen Zustand schnell wieder vergessen sind. Dann wird der gestrenge Herr hervorgekehrt, der alle Freundlichkeiten ungeschehen machen will. Diesem "Freund" ist nicht zu trauen. Matti ist für klare Verhältnisse, denn vorgegaukelte Nettigkeiten können ihm in seiner abhängigen Stellung nur schaden.

Berthold Brecht hat in seinem Volksstück "Herr Puntila und sein Knecht Matti" gekonnt alle Klischees auf die Schippe genommen. Das funktioniert auch hervorragend auf plattdeutsch. Besonders wenn man wie im Ohnsorgtheater einen Vollblutschauspieler wie Uwe Friedrichsen als Hauptdarsteller gewinnen kann. Er weiß den Puntila in allen seinen Aspekten auszuloten. Seine Schwäche, seine Einsamkeit und seine Liebebedürftigkeit wird in seinem Spiel klar. In Oskar Ketelhut als Matti hat er einen ebenbürtigen Gegenspieler. Die Inszenierung von Frank Grupe macht die Abhängigkeit des Menschen von der Gesellschaft ohne erhobenen Zeigefinger deutlich. Grupe schafft es, dass das Publikum sich gut unterhalten fühlt und dennoch die Botschaft Brechts deutlich versteht.

Birgit Schmalmack vom 1.11.05