Romeo und Julia


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Starke Julia - weinerlicher Romeo

"Romeo und Julia" von Shakespeare gilt als die Liebesgeschichte schlechthin, die die Vereinigung bis in den Tod dramatisch und romantisch zelebriert. Nils Daniel Finckh hat sie in seiner Fassung am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg gleichzeitig entstaubt und entzaubert.

In einer postindustriellen, von kalten Wassern umspülten, verfallenen Fabrikruine (Bühne: Dirk Thiele) spürt er dem Tiefgang der postulierten Gefühle in der nach. In diese unwirtliche Endzeitstimmung soll die Liebe etwas Wärme und Geborgenheit bringen. Finckh macht deutlich, dass dieses Wunder nicht unbedingt von Romeo zu erwarten ist. Dieser so verliebt Erscheinende ist eigentlich ein unentschlossener Jüngling, der zu weitreichenden Entscheidungen rational kaum in der Lage erscheint, da er sich von seinen Emotionen treiben lässt. Gerade war er noch "unsterblich" in Rosalind verliebt, schon schwört er beim Anblick Julias sofort ihr ewige Liebe. Filmidol Robert Stadlober in der männlichen Hauptrolle betont die jugendliche Unbedarftheit des jungenhaften Strubbelkopfes mit tarnfarbenen Parka noch stärker. Soerscheint die Besetzung nicht nur aus marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnig.

Julia zeigt dagegen nicht nur vordergründiges Gefühl: Sie ist in dieser Inszenierung ein willensstarkes, durchsetzungsfähiges, junges Trotzköpfchen, das mit all seiner jugendlichen Entschlusskraft bis zum Ende für ihre erste und einzige Liebe eintritt. Jana Schulz gibt ihr überzeugende Ausdrucksstärke. In jeder Geste, mit jedem Wort verkörpert sie brillant dieses nicht mal vierzehnjährige Mädchen. Sie und die anderen Ensemble-Mitglieder (besonders beeindruckend: Christiane von Poelnitz als gefühlsstarke Amme und Jörg Ratjen als intelligent agierender Bruder Lorenzo) setzen damit Maßstäbe, an die ihr Angebeteter nicht immer heranreichen kann.

Doch Finckh hat nicht nur in dieser Sichtweise der Geschlechterrollen eigene Akzente gesetzt. Die von ihm benutzte Textfassung von Gesine Danckwart verzichtet auf die Endreime und setzt bewusst auf Übertragung der derben, volksnahen Ausdrucksweise Shakespeares in heutige, massentaugliche Umgangssprache. An den Reaktionen des zum Teil sehr jungen Publikums war zu merken, dass sie verstanden wurde. Im übrigen sorgte Finckh mit sorgsam choreographierten, Knochen knackenden, bluttriefenden Kampfszenen für Wiedererkennungswert bei den im Actionfilm versierten Zuschauern. So war bei einer drastischen Kürzung des Originaldramas auf leicht verdauliche 1.45 Stunden für kurzweilige, handlungs- und gefühlsreiche Unterhaltung gesorgt, die dem Schauspielhaus neue, jüngere Käuferschichten für die Theaterkarten schon bei der Premiere bescherte und sicher weiter bescheren wird.

Birgit Schmalmack vom 19.01.04

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