Der Kissenmann


www.hamburgtheater.de

Kindliche Opfer werden zu erwachsenen Tätern

Der Kissenmann ist ein Mensch, dessen Körper aus Kissen besteht. Sein Kopf-Kissen zeigt einen lachenden Mund. Seine Aufgabe auf der Erde ist es, kleine Kinder mit seinem sanftmütigen Äußeren zum Selbstmord zu bewegen, um sie vor dem grauenvollen weiteren Verlauf ihres Lebens zu bewahren. Diesen "Wohltäter" schildert eine der vierhundert Geschichten des Schriftstellers Katurian (Marek Harloff). Er erzählt sie seinem geistig zurückgebliebenen Bruder Michael (Ben Daniel Jöhnk) zur Beruhigung. Doch sie sind nicht ihrer Wohnung kurz vorm Einschlafen sondern in einer Arrestzelle. Als drei kleine Kinder auf genau die beschriebene Weise wie in drei der Geschichten umgebracht wurden, wurden sie von zwei selbsternannten Sheriffs (Guido Lambrecht, Thomas Lawinky) verhaftet und verhört. Erlittene Misshandlungen in ihrer eigenen Kindheit schürten deren Hass auf alle, die Kindern etwas zu Leide tun. Unter Androhung von Folter gesteht Michael. Er wollte die Qualität der Geschichten durch die Realität überprüfen.

Nils Daniel Finckh schafft es mit wenigen Mitteln aus dem fintenreichen Text von Martin McDonagh eine beunruhigend beklemmende Atmosphäre zu erzeugen. Der Zuschauer ist vom ersten Augenblick an mit in die Betonmauern des Malersaal vor den immer näher kommenden Gitterstäben (Bühne: Lolita Hindenberg) gefangen genommen. Das verdankt Finckh dem auch körperlich sehr präsenten Einsatz der vier Schauspieler. Mit hörbaren Atemzügen, mit sichtbarer bebender Erregung und mit fühlbarer banger Todesangst lassen sie dem Zuschauer keine Möglichkeit diesen bedrohlichen Gefühlen auszuweichen. Er ist von den überraschenden Entwicklungen des Geschehens gefesselt und verfolgt mit Spannung, wie die Grenzen zwischen Opfer und Täter verschwimmen und die Misshandlung von Kindern gewalttätige Erwachsene formt. Ein beeindruckendes Plädoyer gegen Gewalt an Kindern, das bewusst provokativ zu den Mitteln greift, die es anklagt.

Birgit Schmalmack vom 25.5.04