Was ihr wollt


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Liebeslied oder Inhalt?

Wollt ihr ein Liebeslied hören oder etwas mit Inhalt? fragt der Narr die Hofgesellschaft. Fast ist man versucht, dies für das Motto der Inszenierung von "Was ihr wollt" im Schauspielhaus von Klaus Schumacher zu halten. Shakespeare entschied sich für eine Liebeskomödie und Schumacher setzt Shakespeares Intention, sein Publikum unter allen Umständen unterhalten zu wollen, mit brachial derbem Humor um.

So entpuppt sich sein Illyrien, in dem das Zwillingspärchen Viola und Sebastian nach einem Schiffsbruch strandet, als ein Sündenpfuhl der Liebesgelüste. Die dortige Hofgesellschaft langweilt sich in unehrgeizigem Nichtstun. Wo das Streben nach Macht, Karriere und Reichtum ausgeblendet ist, sollte sich eigentlich das Glück ungehindert ausbreiten können. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Liebesgier, Eigennutz und Neurosen schießen hier ins Kraut. Nur unter den Bediensteten, die sich die Zeit mit Sex, Spiel und Trinken vertreiben, ist die ungehinderte Kontaktaufnahme zwischen Männlein und Weiblein gestattet. In den höheren Etagen unterliegt sie strengen Beschränkungen. Während sich die Untergebenen triebgesteuert zeigen, leben die Herrschenden ausschließlich in ihren Fantasien.

So ist Herzog Orsino seit vier Wochen über alle Maßen in die Gräfin Olivia verliebt, ohne sie je gesehen geschweige denn gesprochen zu haben. Er schlurft wie ein abgehalfterter Gruftie durch die Gegend und scheint an seiner unerwiderten Leidenschaft zugrunde gehen zu wollen. Seine Angebetete wiederum ergeht sich in maßloser Trauer um ihren verstorbenen Bruder. Keine Aufgabe hindert beide am Suhlen in ihrem Schmerz.

Viola bleibt nicht unbeeinflusst von den Ausdünstungen auf Illyrien. Von einer Sekunde auf die nächste verliebt sie sich in den Herzog. Da sie sich aber um in seine Dienste zu treten als Junge verkleidet hat, kann sie ihre Gefühle nicht zeigen. Dann wird sie von ihrem Herrn als Liebesbotin zur Gräfin Olivia eingesetzt. Die erkennt klar das unverbrauchte Frischfleisch des Neuankömmlings, vergisst sofort ihre Trauer und verliebt sich in den vermeintlichen Jungen.

Die Ankunft des verschwunden geglaubten Zwillingsbruders Sebastian rückt eine mögliche Wunschpaarung in erreichbare Nähe. Doch ist hier ein Happy-End denkbar? Erinnert dieses sinnliche Liebesparadies nicht viel mehr an eine Vorhölle? Zwar wachsen hinter dem undurchsichtigen Milchglasparavent die Blumen in den Bühnenhimmel, aber die kleinen Steinhügel sind nur mühevoll zu erklimmen und die Schlammkreidebecken lassen die Besucher leicht ins Rutschen geraten.

Vor Erkundungen des Liebeswahns, in dem sich die Gräfin Olivia und der Herzog Orsinio verrannt haben, ist deswegen eher abzuraten. Zum Glück beschert Schumacher den Zwillingen ein anderes Happy-End als Shakespeare: Statt die Paare zum Schluss zu vereinen, schließen sich vor dem Geschwistern die Türen der Liebeshölle und versperren ihnen aus weiser Regisseurensicht den Zutritt.

Diese Arbeit Schumachers ist bevorzugt denjenigen zu empfehlen, die sich einmal kräftig amüsieren und die exzellenten Ensemble-Schauspieler beim professionellen Ausspielen von Klamauk erleben wollen. Schade dass neben der Schlammschlacht der groben Witze die zarteren Töne von Julia Nachtmann, Marco Albrecht und Ute Hannig, deren Schmerz zu Tränen rühren könnte, fast überhört werden können.

Birgit Schmalmack vom 12.6.08