Liebesruh


Kritik
von
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Stille Trauer

Zuckend bewegt Karl (Markwart Müller-Elmau) seine Arme zur swingenden Party-Musik, die in den fünfziger Jahren mal modern gewesen ist. Sein Kollege Müller (Markus Graf) versucht ihn krampfhaft zu unterstützen. Schließlich ist er mit Kollege Meier (Stephan Schad) zu Karl in die Wohnung gekommen, um es mal wieder richtig rund gehen zu lassen. Doch letzterem will dies nicht gelingen. Verstockt sitzt er da und mag weder trinken, tanzen noch rauchen. Denn sie haben Karls Frau besucht. Seit dem letzten Urlaub mit ihrem Mann liegt sie nach einem plötzlichen Schlaganfall im Koma.

Karl funktioniert seit seiner Rückkehr. Er geht zur Arbeit, er hält seine Wohnung in Ordnung, er plaudert mit der Nachbarin und er besucht täglich seine Frau. Überall begegnet er ihr, in der Kassiererin von der Tankstelle, in der Ärztin und in der Nachbarin (alle Angelika Thomas). In der Kulisse einer gekachelten Kantine verbringt er seinen streng abgezirkelten Lebensradius zwischen Mittagspause, Feierabend und Krankenhausbesuch. Fast emotionslos hangelt Karl sich durch seinen Alltag. Als seine Frau allerdings ins Pflegeheim kommen soll, entschließt er sich zu handeln.

Isabel Osthues hat sich in ihrer Inszenierung des Stückes "Liebesruh" von Jan Neumann jenseits aller Sentimentalität gehalten. Aus sicherer Distanz beobachtend erzählt sie die Geschichte eines zusammen alt gewordenen Liebespaares, dessen einer Teil aus dem Leben fällt. Sie vermeidet so jede Form von Melodramatik. Die spannende Frage des Stückes bleibt am Schluss bewusst unbeantwortet: Was wird Karl machen, wenn er nun nicht mehr funktionieren muss? In welches Loch wird er stürzen ohne Arbeit und ohne seine Frau? Wird er sich dann trauen seiner Trauer Ausdruck zu verleihen?

Birgit Schmalmack vom 14.10.05