Eine Erfolgsgeschichte

Sie bellt oft, aber sie beißt nicht, verspricht Maria Callas zu Beginn ihrer "Meisterklasse", die sie im Ernst-Deutsch-Theater abhält. "Versuchen Sie es nicht bloß, tun Sie es mit ganzem Herzen!" rät sie ihren Schülern. Ihre drei Studenten bekommen ihre harten Maßstäbe und hohen Ansprüche zu spüren. Wer es vom pummeligen armen Mädchen mit dicker Brille aber ohne jedes Stilempfinden zum verehrten Opernstar, Ehefrau des reichsten Griechen und zur schönen Frau mit wahrhaftiger Klasse gebracht hat, darf sich ein wenig Arroganz erlauben. Ihre Erfolgsgeschichte gibt ihr das Recht zu einem gewissen Grad an Selbstherrlichkeit, die sie galant mit ein wenig Selbstironie würzt.

Daniela Ziegler gibt der Figur der legendären Diva Glaubwürdigkeit, Tiefgang und Menschlichkeit. Sie zeigt jedoch neben ihren Stärken auch ihre Schwächen. Sie lässt auch die tief verletzte Frau spüren. Beim reichen Onassis konnte sie nicht die Liebe finden, nach der sie hungerte. War sie sonst gewohnt angebetet zu werden, war sie jetzt die Zurückgewiesene. Doch Daniela Ziegler zeigt auch den Motor ihres großen Ehrgeizes: die tiefe Leidenschaft für die Musik. Wenn sie eine ergreifende musikalische Leistung von einem Schüler hört, vergisst sie ihr "Bellen" und ist zu Tränen gerührt.

Daniela Ziegler verkörpert diese Frau mit einer verblüffenden Perfektion. Mit jedem Zurückstreichen ihres langen Haares, mit jedem kurzsichtigen Blick in die Noten, mit jedem Zurechtrücken der dunklen Brille, mit jedem eleganten Schreiten über die Bühne, mit jedem strafenden Tonfall meint man die Callas vor sich zu sehen. Regisseur Boris von Poser hat in dem noblen schlichten Bühnenbild von Corinna Brunn auch in den Nebenrollen ihrer Liebe zur Musik Tribut gezollt. Drei Sänger (Kathrin Unger, Johanna Krumin, Kolja Hosemann) mit wunderschönen Stimmen und ein versierter Pianist (Matthias Stötzel) auf der Bühne machen die Übungssequenzen zu einem Genuss. Die Traumszenen, in denen die Callas durch ihre Musik an Verdrängtes erinnert wird, lässt von Poser die Drehbühne zum Einsatz kommen: Die Sänger verschwinden aus dem Blickfeld und die Erinnerungen tauchen im magischen Licht aus.

Mit der Besetzung der Hauptrolle durch Daniela Ziegler wird das ansonsten nicht unbedingt spektakuläre Stück von Terrence McNallys auch für das Ernst-Deutsch-Theater zu einer Erfolgsgeschichte, die allabendlich für gefüllte Zuschauerreihen und begeisterten Applaus sorgt.

Birgit Schmalmack vom 20.3.04