Herrenbesuch


Kritik
von
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Ausweitung der Kampfzone

Eine Frage von Patrick an Dave und Ann:
Werdet Ihr heiraten?
Heiraten?!? Nein, wir werden uns ein paar Jahren zerfleischen ...
Das hört sich nach einer soliden Basis für eine Beziehung an.

Unterschiedlicher könnte die Partner von Ann nicht sein: Zwei ein halb Jahre währte die Beziehung zum arroganten Fiesling Dave - inklusive Unterdrücken, Schlagen und Fremdgehen. Als der Journalist zu einem Basra-Einsatz außer Landes war, nutzte Ann die Gunst der Stunde und vollzog die Trennung. Zum Beweis der Vollstreckung besetzte sie die Leerstelle an ihrer Seite sogleich mit Patrick, einem soliden, zuverlässigen und vernünftigen Kollegen aus ihrer Firma. Kein Wunder, dass Dave ein wenig überrascht ist, als er zurückkommt: Ausgerechnet dieser Langeweiler, über den sie zusammen immer Witze gerissen haben! Doch Dave erkennt glasklar die Vorteile, die sein vermeintlicher Konkurrent ihm bietet: Mit männlicher Gegenwehr ist hier kaum zu rechnen, wenn er wieder seine lüsternen Hände Richtung Anne ausstreckt.

Ein Zwischenziel ist schnell erreicht: Neben dem witzigen, blitzschnellen, wendigen Dave sieht Patrick ziemlich lahm und leidenschaftslos aus. Also setzt Ann kurzerhand auch die Neubesetzung vor die Tür. Sodann kann Dave zum Endziel durch starten: Bald teilen die Beiden wieder Tisch, Bett und Kuschelteppich.

Was als flotte Dreiecksgeschichte möglich gewesen wäre, inszeniert Regisseurin Mona Kraushaar als Tragödie. Das Podest, auf dem Zutaten der Wohnungseinrichtung bereit stehen, wird zur Kampfarena. Immer wenn eine Person Pause hat, sitzt sie außerhalb der Kampfzone und wartet auf ihre nächste Runde.

Hier wird eine Frau wird zum Spielball ihrer widerstreitenden Gefühlen. Wohl wissend, dass weitere Verletzungen durch Dave vorprogrammiert sind, lässt sie sich genau auf diesem Typen wieder ein. Ein eigene Meinung zu haben und sie zu leben, dieses Ziel, dass sie zwischendurch für sich formulierte, scheint so fern wie ein Sechser im Lotto.

Julia Richter zeigt dieses Hin- und Hergerissensein auf der Bühne: Ihr schmaler Körper flattert in ihren Miniröckchen von einer Seite auf die andere. Wenn sie mal den einen Mann, mal den anderen Mann anschreit: "Verpiss dich, hau doch ab!", werden in ihrem Worten ihre Verzweiflung, ihr Schwanken, ihre Wut, ihre Abhängigkeit und ihre Hilflosigkeit mit hörbar. Thomas Limpinsel spielt glaubhaft den liebevollen Softie, der niemanden, selbst dem Nebenbuhler etwas Böses will. Und Patrick Heyn ist der drahtige Ober-Macho im Spiel, der seine Tränen nur mit einem Guss aus der Wasserflasche erzeugen kann. Wer sich auf den ungewohnten Stoff auf der Ernst-Deutsch-Bühne einlassen kann, wird mit einem Theaterabend mit ergreifenden, erhellenden Momenten belohnt.

Birgit Schmalmack vom 14.5.08