Warum das Kind in der Polenta kocht?


Verunsicherung ist überall

"Weiß du, wer kommt, wenn du nicht brav bist?", fragt Dauer-Pensionsgast Stanley (Ralf D. Bonow) seine leicht einzuschüchternde Wirtin und Ersatz-Mutter Meg (Monika Reinboth). Sie ahnt es, die Frage wird nicht zum ersten Mal gestellt. Angstvoll weitet sie die Augen. Flugs kippt Stanley Megs Stuhl und verwandelt ihn in die gefürchtete Schiebkarre, mit er sie abgeholt werden könnte.

Harold Pinter arrangiert in seinen Stücken wie in der "Birthdayparty" gern eine Atmosphäre der untergründigen Bedrohung. Kunstvoll nährt er die Befürchtungen, um sie im nächsten als unwahrscheinlich und unbegründet darzustellen.

In sorgfältig arrangierten Bühnenbild von Marcel Weigand spiegelt sich die geheimnisumwitterte Vergangenheit. Um das erhöhte Podest des kahlen Esszimmers sind die Versatzstücke der anderen Zimmer des Wohnhauses von Petey (Gerd Pape) und Meg angeordnet. Ein Stück Küchenzeile, ein Schminktisch, ein Bett und ein Sessel markieren die weiteren Räumlichkeiten der Aufführung im Lichthof. Rätselhaft gibt sich der mit mehreren Vorsprüngen aufwändig hervorgehobene akzentuierte Bühnenvorhang hinter dem schlichten Esstisch. Doch er soll nicht das einzige Rätsel bleiben. Ihr Dauergast Stanley, arbeitslos und trunk- und streitsüchtig, wird in Kürze nicht mehr der einzige Pensionskunde sein. Zwei angereiste Herren gesellen sich zu ihm. Ihr mysteriöses Auftreten und ihr geheimnisvolles Gehabe nährt die Ahnungen, dass Unheimliches bevorsteht.

Regisseur Eva Prollius unterstützt diese Ahnungen durch wohl durchdachtes Körpertheater, das die Texte bedrohlich untermalt. Als McCanns (Sönke C.Herm) Chef, Mr. Goldberg (Jörg Oswald) seinem Untergebenen befiehlt: "Entspann dich doch!", obwohl er auf einem lehnenlosen Hocker sitzt, kommt er in eine höchst unbequeme Lage - eingeklemmt hängt er zwischen Tisch und Stuhl. Und bei der ersten Begegnung zwischen Stanley und einem der Besucher, Assistent McCann kommt es zu einem Balancegerangel zwischen den Beiden auf dem Tisch, das die noch ungeklärte Situation eindrucksvoll verbildlicht.

Goldberg gibt vor genau die Regeln des Lebens und des Emporkommens zu beherrschen. Immer wieder betont er durch sein aristokratisches Verhalten seine Position. Doch McCann zeigt ihm klar, durch wen er in diese Position gekommen ist: Noch während Goldbergs Erläuterungen hebt er seinen zarten Chef mühelos empor und raubt ihm damit jede selbstbestimmte Bewegungsfreiheit. Prollius hat bei der Besetzung viel Geschick bewiesen, so dass die Schauspieler ein harmonisches Ensemble mit insgesamt beachtlichen Leistungen bilden.

Birgit Schmalmack vom 21.9.04

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