Wettlauf mit dem Schrottplatz

Einmal möchte er es erleben, dass er etwas abbezahlt hat, bevor es kaputt gegangen ist, wünscht sich Willy Loman. Den Wettlauf mit dem Schrottplatz hat er persönlich schon verloren. Der 63-jährige Handlungsreisende im Amerika der 50-ziger Jahre gehört zum ausgemusterten alten Eisen. Seit 34 Jahren fährt er auf der Autobahn dem großen Geld hinterher, doch vergeblich. Dann hoffte er, dass wenigstens seine zwei Söhne seinen eigenen Traum von großer Karriere und allseitigen Beliebtsein und Bekanntsein erfüllen würden. Doch Biff ist vor diesem unerträglichen Erfolgsdruck aufs Land geflüchtet und Happy (Mario Ramos) hat sich zwar den Erwartungen gestellt und es leider erst bis zum Assistent des Assistenten des Einkäufers geschafft.

Die Pleite seines Lebens lässt Willy zunehmend verzweifeln, da er sie nicht mehr mit einem Siegerlächeln und markigen Gewinnersprüchen kaschieren kann. Da nützen auch die fortwährenden, verzweifelten Bemühungen seiner treuen Ehefrau (Brigitte Janner) nichts mehr. Sie würde ihren geleibten Mann so gerne vor den desillusionierenden Erkenntnissen bewahren, die ihm den Grund und Boden unter den Füßen wegreißen werden. Es bleibt ein hoffnungsloses Unterfangen, die Familienrisse mit Beschwichtigungen und Beschönigungen zu kitten.

Den Aufschwung, den die steil ansteigende Straße des ausdrucksstarken Bühnenbildes von Achim Römer mit wegweisendem Pfeil nach oben in Szene setzt, schaffen die Lomans nicht mehr. Als reduzierter Handlungsort ist von der heilen Familienwelt nur die angedeutete Küche mit Tisch, Stühlen und Kühlschrank übrig geblieben. Auf dem Highway nach oben dürfen sich nur noch Willys Träume abspielen. Hier taucht sein erfolgreicher, nach Alaska ausgewanderter Bruder (Heinz G. Lück) aus einem liegenden Kühlschrank auf, um ihn an eine der verpassten Lebenschancen zu erinnern.

Uwe Friedrichsen und Stephan Benson spielen den Vater-Sohn-Konflikt mit herausragendender Intensität. Der Ältere kämpft mit allen Mitteln um den Erhalt seiner Lebenslüge und der Jüngere kann diese Unwahrheit zwischen ihnen nicht mehr ertragen. Die weiteren Rollen illustrieren ihre Umgebung mit wenigen Worten und Auftritten. Die etwas gekürzte Spielfassung des Regisseurs Wolf-Dietrich Sprenger konzentriert sich auf diesen Generationenstreit. Ein eindringlicher, sehr sehenswerter Theaterabend, der keine Übertragung auf die Jetztzeit nötig hatte, um seine Aktualität unter Beweis zu stellen.

Birgit Schmalmack vom 12.4.04