Abigails Party


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Glanz fürs Vorstadthäuschen

Die Dame des Hauses könnte sich das Motto der Kultursenatorin zur Herzen genommen haben. An Glanz fehlt es bei ihr jedenfalls nicht. Beverly hat sich in ihr langes, geschlitztes, großes Rotes geworfen und ihre Dauerwelle mit viel Haarspray gegen die Schwerkraft aufgerichtet. Die Käsehappen sind präpariert, die unabdingbare Bar ist gut bestückt und der wunderbar funktionelle Zigarettenspender reich gefüllt. Die Party, bei der sich alle man wieder so richtig amüsieren dürfen, kann beginnen.

An der Gastgeberin Beverly (Eva Mannschott) kann es jedenfalls nicht liegen, dass die Stimmmung nicht so prickelnd wird wie beabsichtigt. Schon eher an ihrem überaus pflichtbewussten Gemahl (Guido Hammesfahr), der leider so gar keine Lebenslust auszustrahlen scheint. Bedauerlicher Weise hat er gar nichts von ihrem verehrten Tom Jones - so einen Tiger hätte sie nämlich liebend gerne neben sich. Vielleicht liegt es aber auch an ihrer ziemlich verklemmten, braven Nachbarin Susan (Doris Prilop), die nur gekommen ist, weil ihre Tochter Abigail sich für ihre Party eine "freie Bude" gewünscht hat. Nun ist sie verständlicher Weise um den wohlbehüteten Zustand ihres Häuschens besorgt und kann nur mit größter Anstrengung ihre lächelnde Gesichtszüge vom Herabrutschen abhalten. Oder liegt es an dem neuen Nachbarspärchen Tony (Otto Strecker) und Angela (Konstanze Proebster)? Tony muss alle seine Energien darauf verwenden, seine kaum zu kontrollierenden Frustrationen und Triebe hinter einer krampfhaften, gefährlich wirkenden Haltungsfassade zu verbergen. Nur seine wenig geliebte Angetraute Angela scheut keine Mühen Beverlys Party zum Erfolg zu verhelfen: Sie kichert sich ihre gute Laune, die leider keine substanzielle Grundlage erhält, selbst herbei. Völlig unbedarft schüttet sie die angebotenen Drinks in sich hinein, wenn die Nahrung für ihr unnachahmliches Lachen auszugehen droht.

Mike Leigh hat mit "Abigails Party" eine entlarvende Satire auf das Leben der Biedermenschen geschrieben. Mit wohldosierten Pointen, die sich stets wohl abgewogen zwischen realistischer Darstellung und zugespitzter Übertreibung bewegen, beschreibt er den Blick hinter die hübschen Vorstadthäuschen der wohlsituierten, "guten" Gegenden. Regisseur Folke Braband hat dazu mit seinem Bühnenbildner Tom Presting detailgenau die Siebziger Jahre wieder aufstehen lassen. Genüsslich schwelgen sie in all dem scheußlich schönen, braungemusterten Design und lassen ihre Figuren sich der prestigeträchtigen Besitztümer rühmen, die ihre Modernität unter Beweis stellen. Das kontrastiert natürlich unübersehbar mit den völlig unmodernen, unaufgeklärten Auffassungen der in ihm Wohnenden. Von Emanzipation und Hinterfragung ihrer Rollen sind sowohl diese völlig unbeleckt. Ist es ein Zufall, dass das Revival des Siebziger-Designs genau in eine Zeit fällt, in der die Verunsicherung der Menschen sichtbar zunimmt?

Doch mit solchen Überlegungen braucht der Zuschauer nicht unbedingt zu belasten, er darf die Absurditäten des Fassadenlebens auch einfach als schrille Komödie in vollen, unbeschwerten Zügen genießen. Braband schafft es mit gekonnter Leichtigkeit die Doppelbödigkeit mit gezielten Lachern, die leicht im Halse stecken bleiben können, zu enttarnen.

Birgit Schmalmack vom 14.03.03