Viel Laerm um nichts



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Show der Nichtigkeiten

Die Geschäfte der Herren bestimmen das Geschehen. In dunklen Anzügen auf fahrbaren Armlehnsesseln hecken sie ihre Pläne aus. Daran hat sich seit Shakespeares Zeiten anscheinend nichts geändert. Die derben Sprüche, die auch Shakespeare nicht scheute um sein Publikum zum Schenkel Klopfen zu bringen, überträgt Kimmig in die Sprache des 21. Jahrhunderts in einer flotten Übertragung und weiß damit zumindest das jüngere Publikum wunderbar zu unterhalten, das den Weg ins Thalia Theater zu "Viel Lärm um nichts" fand. Die Seitenhiebe des Autors aus dem 16. Jahrhundert auf die leichtgläubige Hohlheit der damaligen Gesellschaft werden bei Kimmig in die ironische Künstlichkeit und Gebrochenheit der Figuren übersetzt. Eine Geste, eine Bewegung oder eine Mine reicht schon, um ihren Worten zu widersprechen. Er macht sich im Sinne Shakespeares über den bitter-heiligen Ernst der Ehre, des Machogehabes, der Liebe und Jungfräulichkeit lustig.

In der locker leichten Bühne von Katja Haß mit duftigen pastellfarbigen Vorhängen unter der Diskokugel inszeniert Kimmig eine Party der Endzeitstimmung, die die Spaßgesellschaft von heute auf äußerst amüsante Art aufspießt. Immer gut drauf kommen die Schauspieler stets tänzelnd auf die Bühne, die ihnen eine Auftrittsfläche für ihre Selbstdarstellung bietet. Was immer sie an Spezialitäten bieten können, zeigen sie auch: Sei es Stepptanz, virtuoses Gitarren- oder Trommelschlagen, Spitzentanz oder Verrenkungen zu Rock/Popsongs der Sechziger. Und da das Ensemble des Thalia einiges an Talenten zu bieten, aus dessen Reservoir Kimmig schöpfen kann, ist die Verlockung einer möglichen Kabarettrevue so groß, dass zum Teil die Anbindung an das zu Grunde liegende Stück ins Hintertreffen zu geraten droht.

Doch die Geschichte, in der - wie ihr Titel schon sagt - viel Aufhebens um lauter Nichtigkeiten gemacht wird, erlaubt auch diese Späßchen am Rande als zwar überflüssige aber spaßige Garnierung. Alles in dieser Gesellschaft ist eben nur Show. So sind nur wenige Figuren, die in diesem Nummernkabinett auftreten, so mit Leben gefüllt, dass sie zu wirklichen Personen werden. Hero (Susanne Schwarz) verkommt zu einer blonden Barbie-Puppe, die in einer pinkfarbenen Velourshose auf Stöckelschuhen durch die Gegend stakst. Ihr anvisierter Ehekandidat Claudio (Andreas Pietschmann) ist ein halbstarker, sonniger Partyboy, der noch etwas grün hinter den Ohren zu sein scheint. Don Pedro (Peter Kurth) als alles dirigierender Patriarch gibt je nach Bedarf mal den Mafiosi, mal einen Blues-Brother-Verschnitt und mal den Law-and-Order-Politiker. Nur Benedict (Peter Jordan) und Beatrice (Anna Steffens) dürfen ihren Rollen mehr menschliches Aussehen geben. Beide werfen sich zu Beginn die gegenseitigen Beleidigungen zur Freude der Übrigen um die Ohren, um sich später endlich ihre Liebe gestehen zu können. Doch wie sie diese überaus zögerlichen Entwicklung mit Leben füllen, ist sehenswert. Stets sagen ihre Worte das Gegenteil ihrer Gesten. Eine kleine enttäuschte Handbewegung Peter Jordans darf von seiner Enttäuschung einer verpassten Chance reden, während sein Mund noch standhaft von der Abstoßungskraft dieses Frauenzimmers erzählt.

Im zweiten Teil verknüpft Kimmig Shakespeares Geschichte vermehrt mit Bruchstücken aus Rainald Goetz' "Jeff Koons", in denen dieser in der ihm eigenen Sprache von der Unmöglichkeit von Liebe und gleichzeitig von dem Hunger nach ihr erzählt. Diese Textteile geben dem Abend einen verdienten Ruhepol, der etwas Nachdenklichkeit in dem Partytrubel zulässt.

Im letzten Bild stehen die beiden Hauptdarsteller engumschlungen am Bühnenrand und sinnieren mit Goetz darüber, wie als "so einer, so ein Mensch" dieses verrückte Leben nur aushalten könne. Bei all dem Getue, dem Treiben, dem Trubel, der Action würde am Ende doch nur eines übrig bleiben: die Stille des rauschendes Nichts.

Birgit Schmalmack vom 26.1.02