Vorübergehend weggetreten


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Ruferin in der Wüste

Als einsame Ruferin in der Wüste muss sich mittlerweile Lisa Politt fühlen. Selbst ihr treuer Weggefährte Gunter Schmidt wagt sie mittlerweile in Frage zu stellen und kommentiert ungewohnt bissig und ironisch ihre politisch korrekten, kritischen Bemerkungen zum Zeitgeschehen, die anscheinend unzeitgemäß geworden sind. So findet er in dem Programm "Vorübergehend abwesend" zu einer neuen Rolle, die in diesen Zeiten angemessen schien. Das Publikum benötigt jetzt einen Vermittler, Übersetzer und Erklärer der politischen, linken Botschaften. Wo früher das solidarische Einverständnis vorausgesetzt werden konnte, herrscht heute Erklärungsbedarf.

So hinterfragt er ihre satirischen Songs und sie muss ihre Metaphorik erläutern. Die beiden wären nicht "Herrchens Frauchen", wenn diese Rollen nicht im Laufe des Abends immer mal wieder lustvoll gebrochen werden würden. Da zeigt Schmidt stolz, dass er ganz ohne ihre Erläuterungen die Symbolik des letzten Liedes verstanden hätte und sie schaut verdutzt zurück. "Wieso dieser umständliche Aufwand? Hier ging es wirklich um ein reales Kindheitserlebnis, ist einfach genauso passiert." Oder sie befiehlt ihm, wie er seine (bzw. ihre) Texte zu sprechen habe und macht damit deutlich, wessen Aufgabe hier das Schreiben, Denken, Formulieren und Gestalten ist.

Politt hat nichts an Kampfeslust eingebüßt. So gibt sie zu bedenken, dass in Zeiten finanzieller Nöten alle Kosten, auch das Modell "Mann" gegenüber dem Modell "Frau", durchgerechnet werden müssten. Schließlich seien Männer dreimal so teuer wie Frauen. Bei Männer schlagen z.B. der Bau von Autobahnen, Anschaffung teurer Geländewagen und Sondereinsätze bei Fußballspielen zu Buche, während Frauen nur Fahrradwege, kleine Stadtautos und Subvebtionen kleiner Tanztheater benötigen.

Der Abend über Anpassung und Ausgrenzung schließt mit den drei kleinen Worten, die sich Lisa Politt von ihrem Mann täglich wünscht. "Du hast Recht!" Auch diese Power-Frau braucht ein wenig Bestätigung, wenn auch vielleicht mit anderen Worten als die Durchschnittsweiblichkeit. Die Anerkennung und der Beifall des Hamburger Publikums für ihre aufrechte Standhaftigkeit und moralische Unbeirrbarkeit ist ihr auf jeden Fall sicher.

Birgit Schmalmack vom 21.9.04