Steppenwolf



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Das Tier im Menschen

In seinem unauffälligen Trenchcoat schleppt sich der Mann (Jochen Horst) mit einer riesigen Bücherkiste ab. Mehr hat er nicht mitgenommen zu seinem Ausflug in die Stadt. Zu Studienzwecken habe er das möblierte Zimmer gemietet, wie er seinem neugierigen Vermieter (Georg Münzel) erzählt. Er ist fasziniert von dem Geruch der sauberen Bürgerlichkeit, der die Zimmer umweht. Diesen Anschein von Ordnung und Bodenständigkeit hat er selbst schon längst verloren. Er ist ein Steppenwolf. Er denkt und grübelt zu viel, um noch an noch allgemein gültige Regeln glauben zu können. Und er wäre vielleicht gern ein Tier, das selbstgenügsam seinen Instinkten folgt.

Er trifft auf Hermine (Jaqueline Zebisch), die ihn wieder zum Leben verführen will. Sie ist der Überzeugung, dass sie sich eigentlich sehr ähnlich seien: Sie fröne der Oberflächlichkeiten des Lebens und sei unglücklich. Und Harry Haller widme sich ausschließlich den Tiefgründigkeiten und sei ebenfalls unglücklich.

Im Altonaer Theater hat es Regisseur Gil Mehmert wieder einmal geschafft eine Inszenierung mit ganz eigener Handschrift vorzulegen. Er lässt den Humor, den Hesse in seinem Traktat über Harry Haller immer wieder zur Überwindung der irdischen Unzulänglichkeiten anmahnt, nicht zu kurz kommen. Die ganz in weiß und beige gekleideten skurrilen Leute, die Harry wie Traumgestalten musizierend und singend umschwirren, erschaffen eine Atmosphäre der geheimnisvollen zarten Ironie, die sowohl Noten der derben Ausgelassenheit wie melancholischen Todessehnsüchten besitzt. Die Zwei-Etagenbühne mit dem offenen Studierzimmer oben und der leeren Fläche mit dem glitzernden Rundbogenvorhang und den beiden Schwingtüren unten sorgt für viele überraschende Auftritte. Ein stimmungsvoller, atmosphärisch dichter Abend.

Birgit Schmalmack vom 16.2.08