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Bastarde auf fremdem Terrain

Mehrere Schichten Lack haben die Jungs auf der Plattform-Bühne des Ernst-Deutsch-Theaters im Laufe ihres Lebens erhalten. Nach außen mögen sie der deutschen Mehrheitsgesellschaft fremd vorkommen, doch sie sind fast alle in Hamburg aufgewachsen. Unter der äußeren dunkleren Haut- und Haarschicht schimmern die echten "Hamburger Jungs" die so gerne "Äppel klaun" gehen wollen, durch. Sind sie etwa gezinkte Karten?

Denn sie stehen als türkische männliche Jugendliche ganz unten auf der Multi-Kulti-Liste. Kein smarte Latino, kein schmalziger Italiener und leider auch kein Super-Ami. So sehen sich die "Kanaken" schnell in einer "deutschen Zwickmühle": Entweder sie versuchen die Vorurteile zu unterlaufen. Dann sind sie keine richtigen Türken. Oder sie bedienen sie zu ihren Zwecken. Dann sind sie die gewalttätigen Machos, die sich hier einfach nicht integrieren wollen.

In "Wahlidentitäten: Bastard" gelingt es Regisseurin Liz Rech einen unterhaltsamen, kurzweiligen und dennoch erhellenden Abend zu gestalten. Dabei kommen ihr die darstellerischen Qualitäten der sieben Laien zugute. Selbst bei der Premiere letzten Freitag waren ihnen keine Unsicherheiten auf der Bühne anzumerken. Rech hat hier spritzige Naturtalente aufgetan, die glaubhaft, ungekünstelt und sehr authentisch einen Einblick in die Erlebnis- und Gedankenwelt von türkischen Jugendlichen in Hamburg geben konnten. Die Idee, einen deutschen Jugendlichen im Hasenkostüm als Reporter zunächst das Publikum und dann die deutsch-türkischen Männer zu interviewen, erwies sich als gewinnbringend. Hier konnte jemand, der als Hase verkleidet von nichts etwas wissen musste, ungeniert seine Fragen loswerden. Ein toller Abend, der neben den persönlichen Erzählungen der jungen Männer durch die ungeschminkten Texte von Feridun Zaimoglu und Nuran Calis zusätzlich an Tiefgang gewann. Erfolgreich auch deswegen, weil alle Beteiligten souverän die Balance zwischen ernster Problematik und ironischer Leichtigkeit stets zu wahren verstanden.

Birgit Schmalmack vom 5.3.08