We are time


WE ARE TIME

Gastspiel 19. - 21.09.07 im Hamburger Sprechwerk

"Zufit Simon liegt auf dem Boden. Wir sitzen um sie herum. Wir begrenzen ihren Raum. Sie begrenzt sich selbst. Geschlagene 50 Minuten behindert sie ihren Körper durch ihre eigenen Gliedmaßen so exzessiv, dass man die Vorstellung stoppen möchte.

Ihr verschwitztes offenes Haar verhängt ihr Gesicht. Wir entfernen uns von ihrer Persönlichkeit und sehen nur noch einen Körper, der von Impulsen geschüttelt, vom Boden in die Waagerechte getrieben und in die nächste Drehung katapultiert wird. Kaum, dass sie eine Balance hält, versucht schon wieder eine Hand sich durch einen Zwischenraum zu schlängeln. Ihre Extremitäten schnüren sie ein, reißen sie in die nächste Bewegung oder zwingen zur Zeitlupe.

Und dann passiert etwas Eigentümliches: wir spüren ihren Körper in uns. Wir verbiegen uns unsichtbar genau wie sie, erforschen die Grenzen unserer eigenen Beweglichkeit, spüren die schmerzhafte Verdrehung im Knie. Das bewahrt vorm Abschalten, denn schnell begreift man, dass es keine dramatische Wendung geben wird.

Die Musik bietet keine Abwechslung, im Gegenteil. Permanente Mutation um einen Grundton herum, zäh, ostinat. Das Thema "Zeit im Raum" wird gedoppelt, und das ist gut so. Hier entkommt niemand.

Nur das Kostüm und der Tanzteppich (Laminat Imitat) hinterlassen einen Eindruck von Mode. Zwar transportiert uns der Boden in ein Irgendwo im Wohn- oder Büroraum, verweist aber doch auf einen Zeitstil. Und muss sie wirklich auch noch gegen ihr Burlington Muster antanzen?

Kein einziges Mal aber fragt man, warum diese Hochleistungstänzerin sich so quält. Man weiß, dieser trial and error Kampf ist unendlich, auch wenn sie sich zum Schluss Mitleid erregend wie ein verendendes Tier zusammenknotet, klein, erschöpft, geschlagen.

Christoph Winkler und Zufit Simon haben ein zeitloses Stück geschaffen, eindringlich, radikal und ungeheuer konsequent."

Tünde Pasdach, freie Choreografin, Hamburg

www.hamburgtheater.de