Usta Usta


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Der Tod des Eichhörnchen-Menschen

Ulrike ist anders. Dafür bewundert sie sogar der Mann, den sie gerade fast überfahren hätte. Sie hält sich ungerne an Regeln und Grenzen, auch wenn es nur die eines Parkplatzes sind. Der Mann ist entflammt und sieht rot, aber weniger aus politischen Gründen denn aus ganz persönlichen Motiven. Das Interesse bleibt einseitig: Ulrike (Meinhof) findet diesen deutschen Durchschnittsbürger wenig attraktiv, den ihre Freundin Gudrun (Ensslin) kurzerhand zum "Eichhörnchenmenschen" erklärt. So charakterisiert diese jemanden, der einfach brav seine Vorräte sammelt, die Regeln und das System nicht in Frage stellt und sich mit dem zufrieden gibt, was er findet und einstecken kann. Ulrike hat eher Interesse an Gudrun, die aber wiederum einzig von Andreas Baader fasziniert ist.

Der Fünfte im Bunde ihrer Geschichte, die das polnische Performance Ensemble "Usta Usta 2xu" unter der Regie von Marcin Liber auf Kampnagel im Rahmen von Transfusion07 erzählt, ist der Polizist, der die Drei verhaftet. An ihm wird die spezifisch polnische Sicht am deutlichsten: Der Polizist bekommt menschliche Züge, indem er zunächst geradezu therapeutisch sanft mit ihnen umgeht, dabei Bestechungen aber gerne entgegennimmt. Nachdem er erkennen muss, dass die Drei ihn keineswegs von ihrem Feldzug ausnehmen sondern kaltblütig erschießen werden, ist er so enttäuscht, dass er seine Umgangsweise radikal ändert. Als er sie nach Stammheim begleitet, rächt er sich im Rahmen seiner Tätigkeit durch Folter und Vergewaltigung.

Zwischen den drei hellen Leinwänden, die den Bühnenraum in der K3 begrenzen, entwickelt die Gruppe ein multitmediales Traumkabinett von hoher kreativer und künstlerischer Professionalität. Stetig wandelt sich nach den Blacks, die die einzelnen Szenen abgrenzen, die Kulisse und Stimmung. Mal bestimmen Abschusskreuze in blutrot, mal schwarz-weiß Live-Digitalbilder, mal sekundenschnell verschnittene Dokumentaraufnahmen die Atmosphäre. Immer wieder entstehen neue Bilder, die die Spannung geschickt auf höchstem Niveau halten. Eine vielschichtige Annäherung an die drei Köpfe der RAF aus polnischer Perspektive.

Birgit Schmalmack vom 3.12.07