Akzentfrei


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Der Bazillus Integration

Miriam entspricht für viele nicht dem Prototypen eines deutschen Ureinwohners. Die in Deutschland geborene, mit deutschem Pass versehene Miriam Ibrahim hat von ihrem afrikanischen Vater die dunklere Hautfarbe mitbekommen. Daher ist ein Unsichtbarmachen in der deutschen Mehrheitsgesellschaft von vornherein zum Scheitern verurteilt. So muss sie sich wider Willen immer wieder mit ihrer Hautfarbe beschäftigen, obwohl sie einfach nur als Miriam in Deutschland leben will.

Also darf sie sich mit der schwäbischen Oma abgeben, die ihr ungefragt von ihrem äthiopischen Patenkind erzählt. Oder mit der politisch überaus korrekten Sozialpädagogikstudentin, die ihr ein Gespräch auf englisch über ihren afrikanischen Lover in Ghana aufdrängt. Von schwarzen Hip-Hop-Jungs wird sie auf der Straße mit "Hey Sister" kurzerhand zur afrikanischen community vereinnahmt. Und schließlich mit den Minderwertigkeitskomplexen einer deutschen Kassiererin namens Anja konfrontiert, die ihr erst ein Recht auf ein schönes Leben zubilligen möchte, wenn sie selbst als blonde Deutsche ein besseres hat.

Dabei will Miriam einfach nur leben und Spaß haben. Zum Glück gibt es da noch Peter Scholz, den sie beim Einzug in ihre neue Hamburger Wohnung im Treppenhaus trifft. Der fragt zwar auch: "Wo kommst du her", aber ist mit ihrer Antwort, "aus Stuttgart", völlig zufrieden. Kein "Aber ursprünglich?" folgt, wie von Miriam befürchtet. Bei der WG-Party, zu der sie spontan eingeladen wird, kann Miriam dann endlich mit etlichen Buddeln Astra zu "Wenn ich König in Deutschland" so richtig abfeiern.

Die Hamburger Schauspielerin Miriam Ibrahim nimmt in ihrem Solo "Akzentfrei" im Kulturhaus 73 jede Menge Klischees auf die Schippe. Jede oder jeder kriegt sein Fett ab. Auch sich selbst spart sie nicht aus, wenn sie zugibt, dass auch sie ein paar Vorurteile gegenüber einigen Zeitgenossen mit sich herumschleppen würde. Man verzeiht es ihr sofort bei ihrem reichen Erfahrungsschatz, der sie leider allzu häufig in vielen bestätigt hat.

Dem Publikum macht sie es allerdings auch nicht gerade leicht, eins der Klischees zu hinterfragen, das sie zuvor ebenfalls erwähnte: Alle schwarzen Menschen würden immer gute Laune ausstrahlen, hätten ein mitreißendes Temperament und könnten zudem singen und tanzen. All das erfüllt Ibrahim ohne Zweifel. Sie bringt Power auf die Bühne. Keine politisch korrekte, trockene, wohlmeinende Veranstaltung wurde es unter der Mitwirkung von Texterin und Regisseurin Rayka Kobiella, sondern ein kurzweiliger, witziger und ideenreicher Abend, der das Premierenpublikum zu Begeisterungsstürmen für die Hauptdarstellerin animierte.

Birgit Schmalmack vom 2.4.08