Hin und weg


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Kalt und warm

Stählerne Tresore und metallfarbene Kästen sind kreuz und quer über die ebenerdige Bühne verteilt. Hinten leuchtet ein strahlend blauer Wölkchenhimmel, der mit bunten Blumen das Orchester umrahmt. So kontrastreich wie das Bühnenbild gestaltet sich auch der Musikabend mit vier Regie- und Kompositionsarbeiten "Hin und weg" in der Hamburger Musikhochschule. Zuerst gibt es ein konzertantes Intermezzo von Felix Leuschner und unter der Regie von Alexander Keil zwischen einer Cellistin (Sonja Lena Schmid) und einem Tenor (Max Ciolek). Humorvoll und selbstironisch zerlegen sie Sätze, die sich um das Thema Vater und Liebe drehen. Wort für Wort und Buchstabe für Buchstabe arbeitet man sich daran pro Notenblatt ab, bis der ganze Stapel durch die Luft fliegt.

Regisseur Felix Seiler erschuf eine nicht ganz ernst gemeinte Fantasiewelt zur Musik von Peter Nikolaus Häublein mit vielen skurrilen Elementen. Die drei weißgewandeten Forscher brechen auf zu einer Expedition in unbekannte Gebiete. Dort hissen sie stolz die Fahne und freuen sich tanzend und hüpfend wie Kinder. Nachdem sie einen Eingeborenen erlegt und ihren Hunger gestillt haben, spielen sie unbeschwert im Papiereis. Das gesangliche Element wird hier auf ein Summen, Schreien und Stöhnen reduziert. Das Orchester liefert dazu den ungewöhnlichen Klangteppich, der zugleich zu einer Expedition in neue Klangwelten werden soll.

Die beiden letzten Arbeiten beeindrucken am stärksten. Auf einer Traumfahrt begegnet in "Minutenspuren" von Eunyoung Ester Kim (Musik) und Jan Eßinger (Regie) eine Frau ihrer Vergangenheit wieder und kann endlich ihren Frieden mit dem schließen, was ihr Leben ausmachte. Die zwei wichtigsten Personen begegnen ihr als lebensgroße Pupen, die zum Leben erwachen. Beeindruckend wird die Titelpartie von Rebekka Reister gesungen, die auch schon in der Titelrolle von "Susannah" glänzte.

Auf der Praha de Roosevelt sucht der Polizist in "Orangen" (Musik: Martin von Frantzius, Regie: Maria Popara) verzweifelt nach seinem Sohn. Er ist ein Dealer geworden. Diese Suche reibt den Vater auf. Er kann nicht mehr schlafen und nicht anderes zu sich nehmen als Orangen. Seine Frau kann nur hilflos zuschauen, wie ihr Mann sich immer weiter von ihr entfernt und schließlich stirbt.

Alle Regisseure nutzen das vielseitige Bühnenbild auf geschickte und einfallsreiche Art. Die Tresore entpuppen als Klettergerüst, als Kühlschrank, als Truhe oder als rollbare Bühne für die Puppen der Vergangenheit.

Ein hochspannender Abend, der Ansätze zeitgenössischer Musik in dem Schaffen junger Komponisten aufzeigte und bewies, dass den jungen Musiktheater-Regisseuren dazu zur Umsetzung auf der Bühne eine Menge einfällt.

Birgit Schmalmack vom 8.5.08