Übersleben


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Freiräume

Hoch oben über den Dächern ihrer hat eine Frau ihre kleine Insel der Ordnung eingerichtet. Um sie herum befindet sich das Land in Auflösung. Warum bleibt unklar, aber die Zeichen deuten auf eine stattgefundene oder bevorstehende Katastrophe hin. Durch die Fenster ihres Hochhauses ist zu beobachten, dass die Menschen unten herum streunen auf der Suche nach Unterschlupf und Essbarem. Ein Mädchen namens Emily wird ihr zur Obhut gegeben. Mit Emilia und deren Hundetier Hugo versucht sie ein Stück Normalität aufrecht zu erhalten. Doch Emily bleibt im Gegensatz zu ihr nicht im Schutz der Wohnung. Sie wagt sich hinaus, zu den herumstreunenden, elternlosen Kindern und zu den herumvagabundierenden Jugendlichen. Sie versucht zusammen mit ihrem Freund eine neue Ordnung zu erschaffen. Sie will das Chaos für einen Neubeginn nutzen. Doch ihr Projekt scheint zu scheitern. Die Kinder werden im Verlauf des Experiments immer mehr zu triebgesteuerten Tieren. Aber dann geschieht das Unglaubliche: Eine Tür öffnet sich und das bisher Unglaubliche wird erkennbar.

Charlotte Pfeifer hat für ihr Theaterprojekt die ideale Location gefunden. In der obersten Etage des halb verwahrlosten und halb besetzten Frappant-Gebäudes wird die Atmosphäre, die Doris Lessing in ihrem Roman "Die Memoiren einer Überlebenden" zeichnete, perfekt unterstützt. Projektionen von den heruntergekommenen Zimmern aus dem Haus kontrastieren mit Videoszenen von wucherndem Gras und Unkraut. Die Frau hat sich bestens ihrer Umwelt angepasst. So kullert sie zu Beginn der Performance aus der Coach. Sie will nicht auffallen; ihr Kleid ist aus dem Sofabezug geschneidert. Die Frau malt immer wieder unsichtbare Wörter und Zeichen auf die Coach und den Fußboden. Erst ganz am Schluss werden sie sichtbar: Als das Schwarzlicht angeht, leuchten die weißen Schriftzeichen fluriszierend. Eine beeindruckende, faszinierende Theaterarbeit, die zeigt, wie wichtig Freiräume für die Kunst und das Leben sind. Sie findet wunderbare Bilder für einen Raum, in dem sich Realität und Vision durchdringen.

Birgit Schmalmack vom 2.12.09