A ist eine Andere


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Angepasste und Träumer

Gerd, Nina, Bongo und Vater Ferris stehen auf einem Podest zwischen zwei hintereinander gestellten Wänden und erzählen dem Publikum wie guten Freunden beim abendlichen Kneipentreffen von ihrer Beziehung zu A., die plötzlich verschwunden ist. Nina (Nina Weniger) war ihre beste Freundin und langjährige WG-Genossin. Gerd (Marc Letzig) war ihr Ehemann, der sogar den von A. angeordneten "Sirenentest" durch die heftigst baggernde Nina bestand, weil er nur noch Augen für die auserwählte A. hatte. Ihr Vater Ferris, der Bonsai-Züchter, erkannte nach dem Tod seiner Frau in einem Urlaub ganz allein mit seiner Tochter, welch wunderbare Frau sie ist. Und schließlich Bongo - Gerds bester Freund und Barbesitzer, war derjenige, der vor A.'s Erscheinen in seiner Bar mit Gerd und seinem alten Austin in den Italien-Urlaub fuhr.

Als die Polizei das Auto von A. neben einer verkohlten Leiche findet, scheint A.'s Verschwinden aufgeklärt. Die Beerdigung wird mit Sonnenblumen (A.'s Lieblingsblumen)-Kranz , Plastikblumenbukett und Bonsaibäumchen im Dauerregen arrangiert. Danach muss die vorher indiskutable überaus scheußliche "Bier-Box"-Kneipe häufiger aufgesucht werden, um das Nicht-Verstehen zu ertränken.

Diese Rekonstruktionen werden im Berichtstil zwischen den mit roten arabesken Tapeten verzierten Stellwänden vorgetragen. Immer wenn ein Gefühl von Trauer oder Verzweiflung durchzubrechen droht, retten sich die Beteiligten in lakonischen Humor und gegenseitige Frotzeleien Ihre Blicke drücken mehr aus, als sie sich zu sagen trauen.

Als äußerst lebendige Erinnerung läuft Annika Kuhl als A. durch das Bühnenbild und steuert ihre Sicht auf ihr bisheriges Leben bei. Als Todgeglaubte darf sie als einzige ihren Gefühlen Raum und Sprache geben. Von ihren Träumen und der Befürchtung, diese in ihrem Eheleben mit dem gut in die Gesellschaft eingepassten Gerd zu verlieren, berichtet sie. Und von der Konsequenz, die sie daraus gezogen hat, als sie die umkippende Feuersäule neben der Autobahn sah. Einfach aus einem Leben aussteigen und eine Andere werden!

Hinter einer Garagentür begleiten die Mitglieder der Hamburger Band Kante mit sanfter Instrumental-Rockmusik diese Erkundungen. Matthias von Hartz hat das Stück von Andreas Sauter und Bernhard Studlar zu einer zartfühlenden, konsequenten und stimmigen Suche nach den Träumen einer Frau werden lassen. Er bedient sich dabei genau wie die untermalende Musik der leisen Töne und ist damit umso wirkungsvoller. Er trifft mit seiner Inszenierung genau den Ton des Textes: berichtend, die Gefühle verdrängend und mit burschikosen Späßen die Angst und Trauer überspielend. Wer sich einlassen mag auf diese sparsame Art der Darstellung, erlebt einen interessanten Abend über die verschiedenen Arten das Leben zu sehen, festzuschreiben oder aufzubrechen.

Birgit Schmalmack vom 27.12.01