Das Muschelessen - Theater N.N.


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Die schreckliche Ergebenheit der Muscheln

Auch nach zwanzig Ehejahren legt die Frau (Miriam Hensel) immer einen Schalter um, wenn die Zeit des Heimkommens ihres Gatten ansteht. Dieses "Umstellen" hasst die Tochter (Leili Novi). Ebenso verachtet der Sohn (Tammo Messow) die Unterwürfigkeit seiner Mutter, die nur in der Schule ihr strenges Lehrerinnengesicht aufsetzt. Das Ausbleiben des Vaters zum abendlichen Muschelessen gibt die Gelegenheit einer Abrechnung mit dem Abwesenden, aber auch innerhalb der Schicksalsgemeinschaft der Untergebenen.

Nie hat die Mutter gewagt sich schützend vor ihre Kinder zu stellen. Still hat sie es ertragen, wenn sie in das Wohnzimmer zitiert wurden und der Vater versuchte mit Härte die unerwünschten Eigenschaften den missratenen Kindern auszutreiben. Der Vater hatte klare Vorstellungen von Ordnung, Leistung und Anstrengung. Den entsprachen weder seine Kinder noch seine Frau. Seine Missbilligung ließ er alle drei spüren. Der Wohnzimmerschrank mit seinen Messinggriffen und seinen Butzenscheiben wurde zur lebensgefährlichen Gefahrenquelle, wenn der Vater zuschlug und die Kinder drohten in den Eichen-Schrank zu stürzen.

Warum lassen wir uns das gefallen, fragen sich die Drei erst jetzt. Die Mutter holt immer neue Flaschen des besten Weines aus dem Keller und schenkt ein. Immer mehr Mut muss angetrunken werden, bis sie sich zum Schluss trauen das Telefonklingeln unbeantwortet zu lassen und die Muscheln in den Müll zu entsorgen.

Dieter Seidel hat drei wunderbare Schauspieler für sein genau inszeniertes Familiendrama nach der Erzählung von Birgit Vanderbeke gefunden. Sie lassen mit wohldosierten Blicken, kleinen Gesten oder gewagten Sprüngen auf das Klavier oder über den Tisch sekundenschnell die Stimmung kippen und zeigen, wie instabil die gerade gefundene gemeinsame Basis noch ist. Schnell die zarte Verbündung zwischen Kindern und Mutter wieder zerstört. Zu groß ist noch die Verletzung. Erst allmählich wächst der gemeinsame Mut. Absolut sehenswert!

Birgit Schmalmack vom 7.3.11