Zeit der Besessenen


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Vergebliches Warten

Auf einem Platz im Nirgendwo ist Stawrogin gelandet: Auf einem verlassenen Flugplatz wohnt er in einem abgebrochenen Kontrollturm, eine kleine verglaste Hütte, die auf dem Boden, mitten in einer weißen eiskalten Schneewüste gestrandet ist. Auf seinem Dach befinden sich noch die nutzlos gewordenen Radarantennen, verrostet, verbogen, verrottet, so wie der ganze Platz. Der Hausverwalter wohnt mit seiner Tochter in einem Verschlag unter einem notdürftig mit einem Fernrohr ausgerüsteten Ausguck.

Stawrogin (Tilo Werner) erwartet zwei Gäste: Werchowenski (Bruno Cathomas) und Schatow (Andre Szymanski). Die beiden planen eine Aktion. Der Neue Mensch, auf ihn hoffen die beiden Möchtegern-Revolutionäre. Mit ihrer geplanten politischen Tat wollen sie ihm nun endlich den Weg bahnen. Sie hoffen auf den Segen und die Unterstützung von Stawrogin, den sie als ihr verehrtes Vorbild und philosophischen Ideengeber ansehen. Russen im Exil, das sind sie alle. Sie befinden sich in den USA, irgendwo im kalten Norden. Bei minus 20 Grad wollen die beiden Selbstmordattentäter Flugstunden nehmen. Dazu kommt Fluglehrerin Lisa, Stawrogins Ex-Freundin von mit auf den Plan.

Angesichts der bevorstehenden Todespläne liegen die Nerven blank. Alle Unklarheiten, Fragezeichen, Diskussionswürdigkeiten, Sehnsüchte, Begierden, Feindseligkeiten, Eifersüchteleien brechen auf und führen zu immer neune Eruptionen in den Beziehungsstrukturen. Das wäre schon Stoff genug, doch der Hausverwalter liefert seine ungewöhnliche Tochter noch als Brandbeschleuniger mit hinzu. Während einer Atomkatastrophe geboren, ist sie frühreif, unheimlich, unberechenbar und mordlustig.

Über drei Stunden wabern die Vorbereitungen der Vorbereitungen für die eventuelle Tat dahin. Viele Kämpfe werden lautstark und handgreiflich ausgetragen. Der Sinn und Zweck bleibt weitgehend im Dunkeln, da auch die Ziele der Personen ihnen selbst unklar bleiben. Ihre Diskussionen sind selten diskursiv sondern so nebulös wie die Motive der einzelnen.

Auch wenn die Stimmungszutaten dezidiert gewählt sind, retten sie den Abend nicht. Dafür hat Regisseur Kornel Mundruczo in seiner Bearbeitung der "Dämonen" von Dostojewski den Spannungsbogen zu sehr überspannt. Das grandiose Bühnenbild von Marton Agh lässt viel Platz für intime Momente, Jagden um das Häuschen, Wasserschlachten zwischen den verrosteten Fässern und Rangeleien an den Stahlgeländern. Für ein ausgefeiltes Lichtkonzept sorgen Straßenlaternen, Neonröhren samt Bühnennebel, Sternenschnee, Hausbeleuchtung und Taschenlampen. Die Klangkulisse setzt Knacken, Sirren, Klopfen als Gruselelemente sowie den knarzenden Plattenspieler im Haus mit Stimmungsmusik wirkungsvoll ein. Die spannenden Momente bleiben jedoch Einzelsequenzen, die sich zu keinem großen, spannenden Ganzen formen wollen. Die Bilder, die zum Schluss auf den herabsausenden Vorhang projiziert werden, werden dem wabernden Stück nicht gerecht, denn sie setzen einen zu plakativen Schlusspunkt: Atompilze schießen mit lauten Knall in die Höhe.

Birgit Schmalmack vom 10.5.11