Bestie Mensch



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Abendblatt

Alles unnütz

Wie ein Ziegelstein in einer Mauer fühlt sich Jacques. Das Leben im Haus gegenüber kann er nur betrachten und von der Frau träumen, die er Tag für Tag zur Bewegungslosigkeit verdammt aus der Ferne beobachtet.

Wie Ziegelsteine lassen sich auch die weißen Kästen auf der Bühne fest gefügt aufeinander stapeln. Eingezwängt in ihre engen Handlungsradien hocken die drei Protagonisten zwischen den Holzkisten. Ihre Begierden, Sehnsüchte und Komplexe lassen ihnen wenig Gestaltungsspielraum.

Die Frau ist zart und unnahbar wie eine Puppe. Mit Porzellanhaut und in durchscheinendem Kleid ist Severine das perfekte Objekt für Männerphantasien. Ihr Ehemann Roubaud sieht rot, als er erfährt, dass sie seit ihrer frühen Jugend von ihrem Paten verführt worden ist. Unschuldig sollte sie für sein. Nur eine Lösung scheint möglich: der Mord an dem Nebenbuhler.

Doch fortan ist ihr Verhältnis von der blutigen Tat beschmutzt. Immer wenn sie sich begegnen, fühlen sie sich an ihre Schuld erinnert. Severine verliebt sich in einen anderen: den vermeintlichen Tatzeugen Jacques.

Endlich scheint Jacques sein Ziegelsteintrauma überwunden zu haben: Er glaubt seine Traumfrau gefunden zu haben, die er bisher nur aus der Ferne betrachten konnte. Nur ein kleines Hindernis scheint es noch zu geben: den Ehemann. Ein letzter Mord soll das Glück bringen, so verspricht es ihm die Frau. Noch zögert er und kann das Messer, das sie ihm reicht, nicht zücken. Zum Schluss wird es nur einen Überlebenden geben: den Ehemann, obschon zerstört durch Alkohol, Spielsucht und Unglück.

Clemens Mädge hat den Roman von Emile Zola als klinischen Laborversuch der menschlichen Beziehungen inszeniert. Nur auf die drei Hauptpersonen hat er sich konzentriert. In frühlingshaften Pastellfarben gekleidet, täuschen sie Unbeschwertheit und Unschuld vor, wo Berechnung, Egoismus und Rücksichtslosigkeit vorherrschen. Sören Wunderlich weiß die Zerrissenheit seiner Rolle bestens zu zeigen. Marco Albrecht lässt die Zuschauer in der Hamburger Botschaft hautnah teilhaben an seinem Zusammenbruch. Maria Magdalena Wardzinska sind dagegen in ihrer Maskenhaftigkeit keinerlei Brüche oder Selbstzweifel anzumerken. Mädge ist eine intensive Studie über die Abgründe menschlicher Begierden gelungen.

Birgit Schmalmack vom 24.3.11