Irrepressibles



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Kritik der reinen Emotion

Spiegel stehen im Halbrund auf der Bühne. Flackernde Glühbirnen geben schummeriges Licht. Nach mehreren schweigsamen Minuten betreten die Performer ihren Standort vor den Spiegeln. Als Letzter schreitet Jamie McDermott zu seinem Podest. Eine beginnt. Die Irrepressibles geben sich nicht damit zufrieden ein Konzert zu geben, sie zelebrieren eine opulente OpernPopShow. Die Musiker wurden sichtlich nicht nur nach ihren musikalischen sondern auch nach ihren optischen Qualitäten ausgesucht. Ihre fantastischen Kostüme lassen mehr Haut frei als sie bedecken. Jede Bewegung ist streng durch choreographiert. Keine Sekunde der Show hat einen Hauch von Natürlichkeit. Selbst als McDermott seine Ohrhörer herausfallen und er sie wieder einstöpseln muss, stellt er bei seiner gehauchten Erklärung die inszenierte Schlafzimmer-Erotik nicht ab. Die Musik steigert sich von surrealem Geflirre zu betörend-heiserem Gesang über mehrere Oktaven hinweg.

Die Irrepressibles haben den Mut zur großen Geste. Als roboterhafte kunstvoll ausstaffierte Puppen schwelgen sie musiktrunken in Elegien zwischen Filmmusik und Oper. Die Musikdarsteller mit ihren Model-Figuren stehen selten still. Wie ein synchrones Ballettensemble bewegen sich sie sich in choreographierter Einheit mit ihren Instrumenten. Der Lied-Stoff bewegt sich hochdramatisch um die großen Themen von Liebe und Leid. Ekstatisch lässt McDermott eine pathetische Parallelwelt entstehen. Der exzentrische McDermott spielt mit allen Effekten um starke Kontraste zu erzeugen. Er versucht jedem seiner Bewegungen die laszive Note von Erotik pur zu geben. Dass sich jemand dieses in dieser Konsequenz traut und sich dabei der Mittel so virtuos bedient, verdient Anerkennung. Wer sich in diesen kochenden Gefühlssud hineinwerfen mochte, erlebte wohlige, überraschende, rieselnde, hochemotionale eineinhalb Stunden. Wer sich mit kritischer Ironie distanzieren wollte, fand viele Gründe dazu.

Birgit Schmalmack vom 9.5.11