Mr. Chance


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Abendblatt

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Lebende Projektionsfläche

Wie die Natur ihn schuf, nur mit einer Unterhose bekleidet, steht Chance da. Glücklich und zufrieden genießt er die stillen Freuden eines Gärtners. Noch - denn der Nachlassverwalter seines verstorbenen Chefs steht schon parat und vertreibt ihn aus seinem Paradies. Hinausgeworfen in den Strudel des ungewohnten Alltagslebens einer amerikanischen Großstadt, knallt er mit dem Auto der attraktiven Unternehmergattin Eve (Samantha Viana) zusammen. Sie bringt den gut aussehenden Mann zu sich in ihre Villa, um ihn dort gesund zu pflegen. Ihr todkranker Ehemann (Stephan Korves), der in den höchsten Kreisen verkehrt, ist begeistert von dem Naturburschen mit den erfrischend einfachen Ansichten. Mr. Chance analysiert die Wirtschaftslage und die politischen Konstellationen einfach aufgrund seiner Erfahrungen des Wachsens und Vergehens in seinem Garten. Neben dieser schlichten Logik gehen den Aufsichtsräten, den Journalisten und selbst dem Präsidenten (Timo Klein) die Argumente aus. Zur ihrer aller Fehleinschätzung des Analphabeten Chance trägt entscheidend bei, dass er in der teuren abgelegten Marken-Kleidung seines Ex-Chefs auftritt.

Diese Parabel auf die sprichwörtliche Redewendung "Kleider machen Leute" hat die Regisseurin Marta Gil Polo als kurzweilige, stilisierte Komödie im Sprechwerk inszeniert. In der Hauptrolle glänzt Alexander Schröder. Seine reduzierte Gestik, seine betonte langsame Sprechweise, seine behutsamen Bewegungen und sein hintergründig wirkendes Lächeln lassen ihn als Mr. Chance, der seine Mitmenschen zu täuschen versteht, sehr überzeugend wirken. Hektisch in ihrer Betriebsamkeit, ihrem Wunsch nach Erfolg, Einfluss, Ruhm und Geld kreisen sie wie Pferdchen auf einem Karussell um das grüne Viereck, auf dem der in sich ruhende Mr. Chance sitzt. Alle sehen in ihm, was sie sich erträumen. Die Gattin sieht sich schon von dem geheimnisvollen Mann hemmungslos verführt. Ihr Ehemann will ihn dagegen schon bald in den höchsten Regierungs- und Unternehmerkreisen mitwirken lassen und die Medienwelt stürzt sich auf den Mann, der ungewohnt klar und schlicht seine Aussagen formuliert. Eine äußerst sehenswerte und überzeugende Arbeit im Sprechwerk.

Birgit Schmalmack vom 22.9.08