Nine Fingers


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Schrei nach Kindheit

"Ich bin zu einer Bestie geworden", schreit der Mann mit dem schwarz gefärbten Gesicht in Shorts und T-Shirt ins Mikro. Er schlenkert unsicher mit seinen langen Armen und Beinen um seinen schmalen Körper hin und her und versucht sein Gesicht zu einer bedrohlichen Grimasse zu verziehen.

Uzodinma Iweala schildert in seinem Erstlingsroman "Du sollst Bestie sein", wie afrikanische Kindern zu Soldaten ausgebildet und als kindliche Mordmaschinen benutzt werden. Welche Bilder kann man dafür finden? Der Choreograph Alain Platel, der Performer Benjamin Verdonck und die Tänzerin Fumiyo Ikeda haben auf Kampnagel einen Versuch dazu mit einfachsten Mitteln gestartet.

Verdonck tritt ans Mikrofon und seufzt, schreit, flüstert die einfachen englischen Worte von Iweala aus sich heraus. Er versucht seine Unsicherung durch Schreien und schnelle Bewegung zu kaschieren. Er will Eindruck schinden. Doch die Verlegenheit und ist unübersehbar. Ikeda übersetzt die Sätze in abgehackte, ungelenke Tanzschritte, die Emotionen sichtbar werden lassen. Immer wieder setzt Verdonck seine Bühnenpartnerin stellvertretend für seine Opfer unter Druck. Dann schleudert er ihr das Mikro laut knallend entgegen, wirft sie in den riesigen Pappkarton auf der Bühne, schlägt sie mit dem Palstiksack oder schleudert sie auf die Matratze und wirft sich auf sie. Eindringlich werden die sexuellen Drangsalierungen der Kindersoldaten geschildert. Immer beschmutzter werden die beiden im Laufe der Aufführungen. Ohne seelische Folgen kommt hier keiner raus. Auch keiner der Zuschauer. Das ist ein Thema, das unter die Haut geht.

Birgit Schmalmack vom 20.10.08