Don Giovanni


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Don Juan als Frau

Der Philosoph hat sich in dem Hotel einquartiert und entwirft auf seiner Schreibmaschine eine revolutionäre Weltanschauung. In der Welt, von der er träumt, soll die Freiheit der Maßstab aller Dinge sein. Ohne Zwang und Unterdrückung würden alle Verbrechen überflüssig werden, glaubt er. Auch für die Frau sieht er eine neue Rollendefinierung: Sie soll endlich über ihre Sexualität frei bestimmen können. Sie soll wie der Mann ihre Bedürfnisse frei ausleben können. Er bekommt schneller als gedacht Gelegenheit seine Theorien in der Realität zu überprüfen. Im Nebenzimmer zieht ein neuer Hotelgast ein: eine junge Frau, die hemmungslos mit allen Besuchern und Bewohnern des Hotels flirtet. Ob Männlein oder Weiblein ist dabei nebensächlich. Als der Philosoph seine Theorien auch vor ihr ausbreiten will, nimmt sie ihn sofort beim Wort und zieht ihn aufs Bett. Bedeutet seine neue Weltordnung etwa, dass er als Mann nun den Part der willig verfügbaren Frau übernehmen muss? Er erfährt eher als ihm lieb ist am eigenen Leibe, dass die Freiheit des anderen die Freiheit des anderen erheblich einschränken kann.

Regisseur David Marton ist dafür bekannt, dass er altbekannten Opernstoff aus einer völlig neuen Sicht präsentiert. Hier besetzt er den Verführer Don Giovanni mit einer Frau. Doch nicht nur auf der inhaltlichen Ebene sondern auch auf der musikalischen nimmt er sich die Freiheit, neue Perspektiven zu erproben. Er kombiniert Partien aus der Mozartoper mit jazzigen und poppigen Elementen und benutzt eine ungewöhnliche Instrumentierung. Für "Don Giovanni" kam dafür neben einem Keyboard bzw. Klavier und einer Violine auch eine E-Gitarre zum Einsatz. Bei Marton sind die Musiker gleichzeitig auch Darsteller. Die Zeiten, in denen sie ihre Instrumente an ihrem Notenpult spielen, sind rar. Meist agieren sie mitten auf der Bühne, die ein weitläufiges Hotelfoyer mit Rezeption, Bar und zwei angrenzenden Hotelzimmern darstellt. Marton besetzt die Sängerrollen nicht nur mit ausgebildeten Opernsängern. Jazzsängerinnen und Schauspieler erweitern die Klangfarben. Virtuose Musikalität, hohe darstellerische Qualität aller Beteiligten kennzeichnet das Ergebnis ebenso wie eine liebevolle Selbstironie zu den eingenommenen Rollen.

Seine Inszenierung, die er in Berlin in den Sophiensälen gezeigt hatte und die nun auf Kampnagel zur Aufführung kam, bot dem begeisterten Publikum einen Kunstgenuss, der dem Unterhaltungswert in keiner Weise nachstand.

Birgit Schmalmack vom 26.10.08