Auschwitz - eine Reise


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Stell dir vor Auschwitz ist schön

Ich muss doch was fühlen. Die jungen Frauen klatschen sich immer verzweifelter den modderigen Matsch ins Gesicht. Wir stehen doch auf der Asche von ca. 1 Millionen vergasten Juden, da muss man doch was fühlen!

Die zwei jungen Frauen haben sich auf eine Reise in die deutsche Vergangenheit gemacht. Auf den Spuren der etwa gleichaltrigen Schwester Fanny und Edith Schickler sind sie nach Auschwitz gefahren. In ihrer Vorstellung herrschte in Auschwitz immer Winter. Doch als sie ankommen, scheint die Sonne. Stell dir dein Leben in zehn Bildern vor und das letzte davon ist Auschwitz. So versuchen sie sich in die Gefühlslage der Abtransportierten zu versetzen.

Immer wenn ihre Vorstellungskraft zu versagen droht, halten sie sich an die Fakten. Sie beschreiben die äußere Form des Lagers und die Funktionen seiner einzelnen Abteilungen. Sie liefern sich einen Wettstreit im Rekapitulieren der nationalistischen Restriktionen der Hamburger Juden. Sie nennen die Zahlen der Vernichtung.

Dann wieder sind sie Edith und Fanny, die sich die trockenen Brotrationen teilen, die sich Mut zusprechen, die über Gott reden. Und die sich lautstark jagen, als eine von ihnen dem Lager der Lebenden und die andere aber dem Lager der Toten zugeteilt wird. Diejenige, die in die Gaskammer geschickt wird, will die andere überreden am Leben zu bleiben. Doch diese will gemeinsam mit der Schwester in den Tod gehen.

Gernot Grünewald hat einen berührenden "Versuch über das Verschwinden" im Kulturhaus 73 inszeniert. Mit den zwei wunderbaren Darstellerinnen Marie Seiser und Lisa Stiegler gelingt ihm eine sorgsam choreographierte Reise in die Vergangenheit mit klug gesetzten Wechseln zwischen lauten und leisen Momenten, zwischen Fakten und Gefühlen, zwischen Gestern und Heute. Eine spannende, persönliche und poetische Beschäftigung mit der deutschen Geschichte, deren Bilder und Sätze noch lange im Gedächtnis bleiben.

Birgit Schmalmack vom 30.11.08