Der goldene Drache


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Nachtkritik
KN

Ungeschönte Banalitäten des Alltags

Im China-Vietnam-Thai-Schnellrestaurant "Der Goldenen Drache" schuften fünf Chinesen in der winzigen Küche. Sie sieht aus wie eine riesige Alu-Mitnehmschachtel. Nachdem zu Beginn der Frischhaltedeckel abgerissen wurde, ist die Dose der Schimmelpfennig-Geschichten geöffnet.

Sie spielen alle im Haus, in dessen Erdgeschoss sich der Goldene Drache befindet. Die schwitzenden, ackernden Chinesen schlüpfen blitzschnell in die Rollen der deutschen Hausbewohner. Der Takt der aus dem Schnürboden fallenden Schnellgerichte bestimmt den der Geschichten ebenso vor wie den Arbeitstakt der Küchenmitarbeiter. Ständige Unterbrechungen lassen kaum einen Gedanken zu Ende denken und keine Geschichte zu Ende erzählen:

Die von der ungewollt schwangeren Enkelin mit ihrem nörgelnden Freund, die von ihrem mit dem Alter hadernden Großvater, die vom sich trennenden, streitenden Ehepaar, die von der Beziehung der Stewardess zu ihrem Barbieficker-Freund und die von der asiatischen Prostituierten, dessen Vermietung dem Lebensmittelhändler Hans einen zusätzlichen Verdienst beschert. Die Erzähl-Klammer bildet der schmerzende Zahl des jüngsten Chinesen, der ihm mit einer Rohrzange herausgezogen wird und der schließlich in der Thaisuppe der Stewardess zwischen Ingwer und Zitronengras landet.

Für das Prostitutionsverhältnis wählt Schimmelpfennig eine ziemlich offensichtliche Metapher: Als einzig zum Zirpen und Tanzen fähige Grille ist die Asiatin vollkommen abhängig von dem fleißig arbeitenden Deutschen. Regisseur Klaus Schumacher inszeniert das Stück im Schauspielhaus sehr werk- und worttreu. So tritt die Banalität und Eindeutigkeit seiner Handlung völlig ungeschönt zu Tage. Schumacher garniert den Abend wie Schimmelpfennig in seiner Wiener Erstinszenierung mit fast konsequent gegengeschlechtlicher Besetzung. So sind zwar einige Lacher garantiert aber der mögliche Tiefgang in weite Ferne gerückt.

Birgit Schmalmack vom 9.5.11