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Du bist der Karamell auf meinem Sesamkringel

Vor großen Gefühlen haben sie keine Scheu. Vor großen Themen ebenso wenig. Um Liebe, Tod, Krankheit, Verrat, Ehre, Freundschaft und Familie geht es in den selbst verfassten drei Dramoletten, die die Wilhelmsburger Gesamtschüler zusammen mit Günter Senkel und Feridun Zaimoglu auf die Bühne gebracht haben.

Im ersten löst die anstehende Zwangsverheiratung des Sohnes eine Kette von Ereignissen aus, die mit einem Selbstmord enden. In der zweiten Geschichte steht wieder die große Liebe im Mittelpunkt. Nachdem alle Hindernisse für das Liebespaar aus dem Weg geräumt sind, wird eine HIV-Infizierung bei den Beiden festgestellt. Obwohl sie durch ihren Freund angesteckt worden, schwört sie ihm ewige Liebe noch auf seinem Totenbett. Das letzte kurze, aber ebenso inhaltsschwere Drama zeigt eine Jungsgang, die gemeinschaftlich ein Mädchen vergewaltigt. Einer von ihnen kündigt daraufhin den Bund mit seinen "Brüdern" auf und schlägt sich auf die Seite des Mädchens. Auch hier ist das Bild eines Sterbenden das letzte, bevor das Licht verlischt.

Die Schauspieler und Autoren der Stücke lassen tief blicken in die Familienstrukturen, in denen oft eine Verdrängung der Probleme statt einer Konfrontation praktiziert wird. Die Schüler setzten dagegen eine große Offenheit. Sie haben den Mut zur öffentlichen Hinterfragung ihre Erziehung zu Ja-Sagern in ihren Familien und ihren Peer-Groups. Sie zeigen, dass der Vater zwar autoritär auftritt, aber dahinter oft nur seine Unsicherheit und Sensibilität verstecken will. Sie zeigen ihre Verbundenheit, Respekt und Liebe zu ihren Eltern, aber auch dass ihre eigenen individuellen Lebenswünsche mit deren traditionsgebundenen Vorstellungen wenig gemein haben. Sie zeigen, dass der Machogehabe der Jungen oft nur die von den Vätern erlernte Unfähigkeit zur Kommunikation verdeutlicht. Sie zeigen die Sehnsucht nach der großen Liebe, die Versöhnung und Glück möglich machen soll. Das Publikum ließ sich mitreißen von den hochemotionalen Themen. Lautstarker begeisterter Applaus belohnte die intensive Arbeit der Schüler und ihres Regieteams.

Birgit Schmalmack vom 15.6.09