Der Gartenzaun


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Mikrokosmos der Vorurteile

Versetzt in die Nachkriegszeit könnte man sich fühlen: In einer Schrebergartensiedlung erscheint die Welt wie konserviert. Als ein schwules Pärchen neben ein spießiges Mittfünziger-Ehepaar zieht, brechen die Vorurteile auf. Da wettert der muffelige Ehemann (Gustav-Adolph Artz), da flirtet die unterdrückte Ehefrau (Christine Wilhelmi), da werden Fensterscheiben beim Männerpaar eingeworfen. Doch während der harmoniesüchtige Geschichtslehrer Paul (Felix Ströbel) immer wieder auf die gewonnenen Freiheiten für Schwule im Allgemeinen hinweist, spießt sein Freund Andre (Rolf Bach) gezielt die Intoleranz in direkter Konfrontation mit seinen neuen Nachbarn auf. Als der rebellische Sohn (Tim Kreuer) des Ehepaares sich auch noch ungefragt in die Gartenlaube des Männerpaares einquartiert, spitzen sich die Konflikte zu.

Doch dieser schon nicht zu knappe Konfliktstoff ist für den Autor und Regisseur in Personalunion, Ian Thomson, erst die Ausgangssituation seines Stückes "Der Gartenzaun". In diesen Kontext bettet er im weiteren Verlauf des Abends die Geschichte eines Hamburger Homosexuellen, der noch 1964 aufgrund eines nicht geänderten Gesetzes aus der Nazizeit verurteilt wurde. Während bis zur Pause mit schnellen Schnitten und etlichen Anklängen ans Boulevardtheater für Unterhaltung gesorgt wurde, ändert sich der Tonfall danach zusehends. Je mehr an dokumentarischem Material ans Licht kommt, desto weniger Grund gibt es zur Erheiterung. Der Australier Thomson fängt die Aufmerksamkeit seines Publikums, in dem der Männeranteil klar überwog, zunächst mit seiner durch das Filmgeschäft geschulten Tempo- und Pointenorientierung. Um es dann en passant anhand des historischen Falles geschickt dafür zu sensibilisieren, wie stark die BRD bis unsere jüngste Geschichte von wohl verdrängter und gerichtlich verfügter Intoleranz gekennzeichnet war.

Birgit Schmalmack vom 29.9.09