Blaubart- Die Hoffnung der Frauen


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Über die Maßen

Über die Maßen groß ist die Erwartung, mit der die Frauen Heinrich begegnen. Dabei ist Heinrich wahrlich kein attraktiver Schönling sondern ein unspektakulärer Durchschnittsmann. Er, der Damenschuhverkäufer, dessen Lieblingsworte "Schnürsenkel" oder "Krokodillederimitat" sind, weckt Sehnsüchte, die ihn überfordern und hilflos machen. "Liebst du mich so wie ich dich?" Das sind Worte, die töten können. Zuerst die Liebe und dann diejenige, die sie ausspricht. In seiner Ohnmacht greift Heinrich zur Notwehr. Er erstickt, erdrosselt, erschießt und ersticht die Frauen, die sich ihm an den Hals werfen. Nur eine weiß sich zu erwehren. Julia, die Blinde, erscheint ihres Sehsinns beraubt zwar hilfloser als die ihre Vorgängerinnen, doch kennt ein Wort besser als sie: "Nein!" So endet diese Begegnung anders als die vorherigen.

Der Text von Dea Loher entlarvt pointiert den Mythos der Frau als Opfer. Er untersucht den Grad ihrer Mittäterschaft. Maryn Stucken inszeniert die Neufassung von "Blaubart" von Dea Loher sehr stringent. Die weiblichen Opfer sind bei ihr verführerische Frauen in weißen Abendkleidern, die hinter heruntergelassenen Jalousien neugierig die vergeblichen Bemühungen ihrer Vorgängerinnen verfolgen und sich dennoch in die Hände Heinrichs begeben. Alle fünf Frauen sind von Anfang auf der Bühne. Sie umflirren den graumäusigen Heinrich mit seinem dicken Brillenkassengestell. Sie erkennen klar die Strukturen von Heinrichs Verhalten und dennoch tappen sie bewusst in immer dieselben Fallen. Zurückweisungen ignorieren sie ebenso geflissentlich wie das Schicksal ihrer Vorgängerinnen. Ausgeliefert ihrer Sehnsucht nach Erlösung von ihrer Einsamkeit projizieren sie in den armen Heinrich all ihre Träume. Mal den feurigen Liebhaber, mal den treu sorgenden Ehemann, mal den gewalttätigen Verbrecher, mal den Abenteurer, mal den Revolverhelden. Die Frauen verführen ihn nach allen Regeln der weiblichen Kunst. Hilflos ist der arme unerfahrene Heinrich, der von Fall zu Fall derangierter erscheint, ihren Erwartungen ausgeliefert.

Wenn Frauen zu sehr lieben... wie dieser berühmte Buchtitel auch weitergehen könnte, zeigt diese konzentrierte Arbeit im Lichthof.

Birgit Schmalmack vom 12.10.09