Brave new age


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Die graue, ruhige Nation

Mit einer langen biblischen Ahnenreihe beginnt der "Gerassic Park Deutschland, Teil 2". Im Schnitt wurden die Väter des jüdischen Geschlechts um die stolzen 900 Jahre, in denen sie für Nachwuchs sorgen konnten. So alt werden die heutigen Zeitgenossen in ihrem weißen, hell erleuchteten, abgegrenzten Experimentierfeld des menschlichen Fortschritts noch nicht. Aber Jung und Alt arbeiten daran und haben dabei ihre ganz persönlichen Probleme.

Das junge Paar Adam und Eva zum Beispiel: Sie ist eine gestresste Mutter zwischen Kind und Beruf, er ein arg vergesslicher Ehemann, der im Moment nur ein Thema kennt: Seine Mutter ist an Demenz erkrankt und Eva hat ihn vor die Wahl gestellt: Sie oder ich!

"Unser Name sei Rentner." Heute legen sie sich nicht mehr in den Lehnstuhl, denn die jungen Renteneinzahler bleiben aus. Sie gründen zur Absicherung ihres Unterhalts Kleinunternehmen. Zu Beispiel den Kindersitterservice in der Sandbox. "Vom altem Holz gut behütet."

Dass sie im Alter noch arbeiten müssen, liegt auch an der erfolgreichen Akademikerin, die bis zu ihrem 90zigsten Lebensjahr einen unerfüllten Kinderwunsch vor sich her schob und erst jetzt den geeigneten Zeitpunkt dafür gekommen sieht: Zuerst die Karriere und dann die Kinder. Die Ruhestandsfamilie als das perfekte Modell.

Auch die Oma, die ihrer Schwiegertochter das Zweitkind mit dem Argument des Gesundschrumpfens ausredet; ist daran nicht ganz unschuldig. Sie favorisiert eine graue Nation, denn das ist eine ruhige Nation! Das sei eben der westliche Zen: Die Konzentration auf das eigene Zentrum.

Ein Ehemann pocht mit 70 auf seine Entscheidungsfreiheit und verlässt seine Ehefrau. Nun steht er vor seiner Tochter und fragt sie, ob sie bereit wäre ihn im Alter zu pflegen. Ein Mann mehrt zum Erhalt seiner Gesundheit die Gewinne der Pharmakonzerne, da er gegen die zahlreichen Nebenwirkungen seiner eingeworfenen Pillen viele weitere braucht.

Autor Oliver Gorf legt mit seinen Beobachtungen zur älter werdenden Gesellschaft seinen Finger oft schmerzhaft in die Wunde. Die Schauspieler loten unter der Regie von Gero Vierhuff auch den Humor in ihren kleinen Geschichten aus. Bühnenbildner Marcel Wienand legt um den Pool ihrer Ideen und Lebensvorstellungen einen Rahmen, der gleichzeitig ausreichend Platz zu ihrer Entfaltung und zum aufmerksamen Beobacht-Werden durch die anderen bietet. For ever young, so träumen Jung und Alt schwofend bis zum Verlöschen des Lichtes in dem weißen Geviert.

Birgit Schmalmack vom 25.4.10