Das Jahr von meinem schlimmsten Glück


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Gut gewürztes Lebensdrama

Melodramatik pur - so könnte das Klischee zu den Ingredienzien zu Nino Haratischwilis neustem Stück "Das Jahr von meinem schlimmsten Glück" lauten: ein ausschließlich weibliches Produktions- und Darstellerteam und ausgesprochen viel Herz und Schmerz für die Geschichte von Ivi: Erst ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann, dann eine erzwungene Abtreibung durchgeführt durch dessen Ehefrau, später eine Affäre mit dessen Sohn und zum Schluss eine Wiederbegegnung mit dem reuigen Lover von einst. Alles gipfelnd in einem Unfall, bei dem Ivi ihr Gedächtnis verliert.

Doch die Regisseurin und Autorin Haratischwili bricht alle melodramatischen Soapzutaten im Laufe ihrer Aufführung im Lichthof so lustvoll und geschickt, dass die berührende, lebenswahre Geschichte einer weiblichen Identitätsfindung übrig bleibt. Sechs wunderbare Schauspielerinnen spielen in stetigem Wechsel alle Rollen des Stücks, auch die der Männer. Jede findet auf ihre Art die männlichen und weiblichen Seiten in sich. Das ist faszinierend und entlarvend zugleich. Anja Topf lotet die emotionalen, spontanen Momente aus, Solveig Krebs die herb-bestimmenden, Nino Burduli die exotisch-intellektuellen, Susanne Pollmeier die weiblich-erotischen und Lisa Grosche die jugendlich-unbedarften, während Verena Reichhardt still betrachtend auf den Moment wartet, in dem sie ihr Ich unter all den möglichen Varianten zwischen den schneeweißen Papierbahnen der Bühne entdeckt. Erst ganz am Schluss werden sie herabgerissen und lassen die Schrift auf ihren Rückseiten erkennen. Eine herausragende Arbeit der viel dekorierten Haratischwili, die sie durch ihr sorgsam ausgesuchtes und versiertes Ensemble perfekt umsetzen konnte.

Birgit Schmalmack vom 24.11.10