Der Rückzug aus Moskau

Der Rückzug aus Moskau

Der Kern der Liebe
„Was wünscht du dir?“ „Dass du glücklich bist.“ So selbstlos zeigte sich der Ehemann Edward Zeit seines dreiunddreißigjährigen Ehelebens. Doch jetzt kurz vor seiner Pensionierung fängt er tatsächlich an, die eindringlichen Ratschläge seiner Frau, seinen eigenen Gefühlen mehr nachzuhorchen, zu beherzigen. Leider nicht in ihrem Interesse: Er entdeckt, dass sich die Liebe ganz anders anfühlen kann als bei seiner kapriziösen, leidenschaftlichen Ehefrau Alice: Er verliebt sich in die sanfte Angela, die ihn genauso mag, wie er ist: ein etwas spießiger Lehrer, der ab und zu gerne Kreuzworträtsel löst statt große Reden zu schwingen. Das war seiner Frau nie genug. Sie, die zu jeder Situation das passende Gedicht rezitieren kann, übte auf Edward zwar den großen Reiz der nie Erreichbaren und Unbekannten aus, hinterließ in ihm aber stets auch das Gefühl des Nichtgenügens. Jetzt findet er bei seiner Angela genau die Ruhe und Geborgenheit, die ihn denken lässt, endlich bei sich angekommen zu sein.
Zwischen den Beiden steht der Sohn Jamie (Ulrich Bähnk). Er soll in dieser Krisensituation für beide Seiten Fürsprecher, Richter, Vertrauter und Vermittler sein. Eine fast unlösbare Aufgabe, da er zwar gerne ein guter Sohn sein will, aber auch sein eigenes Leben in den Griff bekommen möchte. Wie viel steckt von den Eltern in ihm? Muss er sich diesen Anteilen stellen, um selber einen Weg für sich zu finden? Diese Frage treibt ihn immer wieder zu der Verlassenen und dem Verlassenden.
Adelheid Müther hat in den Kammerspielen ein spannendes Kammerspiel inszeniert, das mit gut besetzten Rollen die psychologischen Feinheiten des Beziehungsgespinstes herausarbeitet. Bis zum Schluss kann die Spannung auf hohem Niveau gehalten werden. Einzig der letzte, etwas betulich wirkende Monolog des Sohnes hätte gerne fehlen können. Den hat das Stück nicht nötig. Denn Tatja Seibt mit ihrer überaus differenzierten Interpretation der Alice und Joachim Bliese mit seiner zurückgenommenen Spielweise des Edwards hatten bisher jede Klippe der Melodramatik gekonnt genommen und die Botschaft des Stückes auch ohne Erklärungshilfen deutlich werden lassen.
Birgit Schmalmack vom 2.4.07


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