Sein und Nichtsein


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Spiel ums Leben

Tod oder Leben, Schein oder Wirklichkeit, Sein oder Nichtsein, das ist die Frage für die Schauspielertruppe (Bernd Moss, Thomas Kügel, Myriam Schröder, Alexander Simon, Stephan Grossmann, Bjarne Mädel, Felix Goeser), die von der Bühne in das reale Spiel geschubst wird. In der Inszenierung von Sebastian Schlösser des legendären Filmklassikers von Ernst Lubitsch "Sein oder Nichtsein" macht Bühnenbildner Stephane Laime den Bruch auch im Bühnenbild deutlich. Wohnt der Zuschauer zu Beginn den Proben im Theater auf offener Bühne mit unverdeckter Requisitenansammlung bei, so konzentriert sich nach der Übergang in die Realität der Scheinwerfer ganz auf den Bühnenraum unter dem Torbogen, auf dem die Entscheidungen über Tod oder Leben gefällt werden.

Zunächst proben die Schauspieler also in einem polnischen Theater im Jahre 1939 für die Premiere von "Gestapo im Herbst". Einen Tag vor der Erstaufführung der Nazi-Komödie bekommt die polnische Regierung kalte Füße und untersagt die Vorstellung. Also wird weiter "Hamlet" gegeben, in der 78. Aufführung. Dann marschieren die Deutschen in Polen ein und es herrscht Krieg. Plötzlich werden die schauspielerischen bei der überzeugenden Darstellung von Nazis überlebenswichtig. Für die polnische Untergrundbewegung werden ihre Kostüme und Kenntnisse gebraucht. Die Hamletmonologzeile bekommt eine neue Bedeutung. Nun geht es wirklich um Tod oder Leben. Die Schauspieler, die für eine Fantasiewelt geübt hatten, spielen jetzt in der Realität ums Überleben.

Schösser hat sich entschlossen den hellsichtigen Film des emigrierten Lubitsch auf die Bühne zu bringen. Zu Zeiten, in denen Filme über Hitler und Nazi-Deutschland wieder für Schlagzeilen sorgen, mag das angebracht sein. Doch lebte die Lubitsch-Version in doppeltem Sinne von dem Bruch zwischen filmischen Scheinwelt und der politischen

Einholung durch die Wirklichkeit, so kann Schlösser nur den Bruch zwischen verschiedenen fiktiven Ebenen der Darstellung auf der Bühne in Szene setzen. Konnte Lubitsch die Nazi-Methoden mit tabubrechenden Überzeichnungen der Lächerlichkeit preisgeben, kann Schlösser nur noch das Tabu der stets ernsthaften Vergangenheitskonfrontation der Deutschen in Frage stellen. Die Brisanz der 1942 gedrehten Komödie ist aber 2005 nicht erneut künstlich zu reproduzieren. Insofern bringt der Abend zwar Spaß, muss sich aber dennoch die Frage gefallen lassen, ob er heute noch einen Erkenntnisgewinn bringen kann.

Birgit Schmalmack vom 31.1.05