Jahrmarkt des Abschieds


www.hamburgtheater.de

2006: Perfektes Bühnenbild gratis

Das Leben besteht aus lauter kleinen und großen Abschieden. Sie erst machen Neuanfänge und Veränderungen möglich. Immer wieder auch loslassen zu können, gehört zu den Herausforderungen, die das Leben bereithält. Diesen und anderen Betrachtungen zum Thema Abschied kann man wunderbar nachhängen, während man sich auf dem diesjährigen "Jahrmarkt des Abschieds" von dem gebotenen Geschehen über den feinen Strandsand am View Point treiben lässt. Wenn dann der Hamburger Hafen an einem wunderbar lauen Sommerabend noch das Bühnenbild gratis dazumalt, ist alles perfekt für einen poetischen Theaterabend unter freiem Himmel. Der hat für diesen Abend auch noch sein farbenprächtigstes Kleid angelegt und präsentiert zu Beginn der Show einen orangeroten Sonnenuntergang, der genau abgestimmt ist auf die Farbe des Aussichtsturmes.

Thomas Matschoß und sein Team aus 11 Schauspielern und fünf Musikern haben sich viele neue Szenen zum Abschiednehmen ausgedacht. Zum Glück aber haben sie die besten Ideen aus dem letzten Jahr wieder mit aufgenommen. So wandeln die Zuschauer zunächst mit ihren kleinen blauen Hocker von Jahrmarktsbude zu Jahrmarktsbude und lassen von den Gauklern verführen. So weitet sich danach die Aktionsfläche wieder auf die große Sandfläche, auf der die Lagerfeuer und die leicht orientalisch angehauchte Band für knisternde Atmosphäre sorgen. So wird wieder die Seitenwand des View Points als Projektionsfläche für Fotos aus der neuen Hafencity genutzt. Doch dieses Jahr spaziert auf ihnen ein Außerirdischer herum. Rührend, wie er mit seinem Astronautenanzug und seinem Sauerstoffgerät U-Bahn fährt, den Geschirrspüler ausräumt, im Supermarkt den Einkaufswagenwagen schiebt. Wie sich ein Fremder fühlen muss, der seine Welt verlassen hat, der neu in die Stadt kommt und der überall auffällt, machen diese Bilder deutlich.

Zum Glück steigt am Schluss auch wieder der kleine selbst gebastelte Heißluft-Ballon in die Luft. Passend zum Abend fliegt er in perfektem Bogen über die Elbe und ist noch zu sehen, als die Zuschauer ihren Heimweg antreten. Lange noch versuchen sie sein Flackern auszumachen, das wie ein kleiner Stern langsam aus der sichtbaren Sphäre verschwindet.

Birgit Schmalmack vom 19.8.06

2005: Abschiede fallen schwer

Abschiede sind schwer. Hautnah erleben kann man das zur Zeit beim "Jahrmarkt der Abschiede". Manchmal müssen die Schauspieler die Zuschauer regelrecht drängen ihren Hocker zu nehmen, ihre Station zu verlassen und zu nächsten weiter zu wandern; zu sehr haben sich die Zuschauer schon eingefühlt in das Thema des Abschiednehmens. Das liegt zum Teil auch an der wunderschönen Location am View Point in der neuen Hafencity - ein idealer Spielort für eine Revue zum Thema Abschied. Bei wunderbarem Wetter, sternenklarer Nacht, lauen Temperaturen und windstiller Abenddämmerung gaben Thomas Matschoß und sein engagiertes Team, das schon zum Teil aus anderen Produktionen am Schmidts Tivoli bekannt war, eine bejubelte Premiere mit ihrem Programm "Jahrmarkt des Abschieds". Am einem Ort, an dem demnächst Kreuzfahrtschiffe für Abschiede von reisenden Verwandten und Freunden sorgen werden, gingen sie den verschiedenen Formen des Abschiednehmens nach. Immer wieder wurde Hamburg als Stadt mit einem weltoffenen Hafen einbezogen.

Die Zuschauer sollten mit offenen Augen gut zuhören. Sie durften dabei ihren kleinen blauen Hocker als mobile Sitzgelegenheit mit nehmen. Das war komfortabel und gleichzeitig dem feinen Strandsandboden mit dem Strandhafer nah genug, so dass die Bodenhaftung zur der Open-Air-Location nicht verloren ging. So lauschte man Liedern des Abschied, Geschichten von Weltenbummlern, erfolgreichen Auswanderern und Dableibern. Von Sehnsucht, von Tod und von Trennung wurde erzählt und gesungen. Eine reichhaltige Fundkiste bot dabei das Liedgut zum Thema Trennungsschmerz. Stimmgewaltige Schauspieler machten das Zuhören zu einem Vergnügen.

Die Geschichte von der Brombeerkönigin wurde zu einem symbolträchtigen Märchen, das von der Unmöglichkeit des Loslassen erzählte. Durch einen spannenden Kunstgriff wurde der Bogen bis in den aktuellen Ort und die aktuelle Zeit gespannt. Auf ein riesiges Tuch, das vom View Point herabgelassen wurde, wurden Bilder der entstehenden Hafencity projiziert, die die Brombeerranken als Baugerüste zeigte. Verschanzt sich die weltoffene Stadt Hamburg hinter Gerüsten, Betonstählen und toten Steinen wie die Prinzessin, die ihrer Liebe nicht folgt, weil sie auf ihre Besitztümer nicht verzichten mag?

Matschoß hat im Hamburger Kultursommer für einen wunderschönen Abend gesorgt, den sich niemand entgehen lassen sollte, der sich an einem herrlich idyllischen Ort sich ein wenig verzaubern und entführen lassen möchte. Besonders bei einbrechender Dunkelheit glänzen und glitzern die Elbe, die Hafenlichter, die Sterne und die zahlreichen Fackeln, Kerzen und Feuer der Show um die Wette. Wenn zum Schluss noch ein bunter Seidenpapierballon in den Himmel aufsteigt, ist das Staunen über die liebevollen Einfälle dieses Jahrmarkt perfekt. Vom diesem stimmungsvollen Ort mochte sich das Publikum trotz später Stunde nur schwer verabschieden. Lange blieben die meisten noch stehen und genossen die Atmosphäre und die Schönheit des Augenblicks- ganz wie die Schauspieler es ihnen nahe gelegt hatten. Somit ist also sicher: Die Botschaft ist angekommen.

Birgit Schmalmack vom 11.7.05

http://www.jahrmarktdesabschieds.de/