Medea


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Sinnliches Gesamtkunstwerk

"Heute sind aber ungewöhnlich viele Statisten auf der Bühne", wundert sich eine Zuschauerin, als sie den Bühnenraum der Hochschule für Musik und Theater betritt.

Mit schwarzen Gazevorhängen ist der Bühnenraum samt Parkett und Orchestergraben von den Zuschauerrängen abgetrennt. Doch auf den weißen Drehstühlen, die in diesem verschleierten Geviert um den Laufsteg in der Mitte gruppiert sind, sitzen keine Statisten sondern Teile des Publikums. Sie werden eine andere Aufführung erleben als diejenigen, die auf den Rängen Platz nehmen. Sie erleben die doppelte Quadrophonie, die der junge Komponist Leopold Hurt speziell für sein Werk "Medea" kreiert hat. Rechts und links neben ihnen sitzt jeweils die Hälfte des Orchesters, ebenfalls hinter schwarzen Schleiern leicht vernebelt. So hören sie die Klänge aus den sie vier umgebenden Ecken. Dazu lässt Hurt elektronische Töne erklingen, die aus den vier in den Raumecken verteilten Lautsprechern erschallen. Mitten zwischen den Zuschauern agieren die fünf Schauspieler und die eine Sängerin, die als ein weiteres Instrument die Klangwelt erweitert. Auch die Schauspieler haben ungewöhnliche Anforderungen zu erfüllen. Sie sprechen ihre Texte erst auf das Einsatzzeichen des Komponisten hin - genau wie die Musiker des Ensembles Intergrale. Sie übernehmen dabei oft den Rhythmus der Musik. Symbolträchtige Bilder und Textzitate werden auf die Gazevorhänge projiziert.

Hurt fügt unter seiner abendlichen Leitung alle Elemente zu einem wunderbaren Gesamtkunstwerk zusammen. In dem Raum und unter der Regie von Dominik Neuner ist ein sinnlicher Musiktheaterabend entstanden, der seinesgleichen sucht.

Der Medeastoff in der Interpretation von Christa Wolf beleuchtet die Frage nach dem Umgang mit Mythen durch spätere Generationen eindringlich. Hier spricht eine Medea, die die Beweislage ihrer Geschichte neu aufrollen darf. Ariella Hirshfeld als beeindruckende Darstellerin der Medea zeigt eine überaus starke Frau, die nicht leben darf, weil die anderen nicht zu leben verstehen.

Birgit Schmalmack vom 20.10.08