Nuts - Der Prozess der Claudia D.


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Eine Frau wehrt sich

Wer legt die Normen fest, an die sich ein Mensch in einer Gesellschaft halten muss? Claudia kommt aus einem gutbürgerlichen Elternhaus. Ihre Mutter und ihr Stiefvater haben sich liebevoll um ihre Tochter gekümmert. Und doch ist die junge Frau nun als geistig gestört in die Psychiatrie eingeliefert worden. Nach ihrer Scheidung verdiente sie ihren Lebensunterhalt als Edelhure statt zu ihren Eltern zurück zu kehren. In Notwehr hat sie einen Freier erschlagen. Ihre Eltern versuchen daraufhin alles, ihr und sich die Schande eines öffentlichen Gerichtsprozesses zu ersparen und lassen sie in eine geschlossene Anstalt einliefern.

Doch diese Frau will sich nicht leise in die Psychiatrie zurückziehen. Sie kämpft dafür Verantwortung für ihre Tat übernehmen zu dürfen. Mit einem ganz jungen, noch unerfahrenen Anwalt an ihrer Seite stellt sie sich in Bademantel und Latschen den Männern, die über ihre Zukunft entscheiden sollen. Geschwächt durch die Psychopharmaka, die ihr als Therapie verabreicht wurden, kämpft sie leidenschaftlich für ihre Selbstverantwortung.

Kämpferisch tritt Jeannette Arndt ihrem Tribunal aus Staatsanwalt (Manfred Reddemann), Richter (Peter Gross) und Gutachter (Hans-Jörg Frey) gegenüber. Nur einmal bricht sie zusammen: Ihr äußerst engagierterVerteidiger (Dominik Breuer) deckt auf, dass die Beziehung zu ihrem Stiefvater eine Variante der Liebe enthielt, die für ein Vater-Tochter-Verhältnis zu weit ging. Doch Claudia gibt sich daran eine Mitschuld: "Ich habe es ihm nicht verboten," meint sie unter Tränen. Arndt leistet Beeindruckendes. Ihre ganze Körpersprache spricht von der Kampfesmut, der Intelligenz und der Nervosität dieser Frau.

Regisseur Volker Lechtenbrink liefert mit "Nuts- der Prozess der Claudia D." eine Inszenierung in bester Ernst-Deutsch-Theater-Tradition: Sensible Regie, eindrucksvolle schauspielerische Darstellung, spannende Geschichte, interessantes Thema und ein paar offene Fragen für das anschließende Gespräch im Foyer. Der bewährte Bühnenbildner Peter Schneider setzte einen Saal auf die Bühne, dessen nach hinten zeigende Fenster den Ausblick auf die Freiheit bieten, für die die Angeklagte streitet. Der Name des Hospitals für Psychische Hygiene heißt sinnigerweise im Stück von Tom Topor "Bellevue". Doch die schöne Aussicht ist bei Schneider mit Brettern vernagelt. Die heutige Premiere wurde mit sehr viel Beifall für die Schauspieler und das Regieteam bedacht.