Von Mäusen und Männern


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Eine Männerwelt

Von einem herunter gekommenen, ungemütlichen Männerschlafsaal zum nächsten sind die beiden ungleichen Freunde George (Ulrich Bähnk) und Lenny (der hervorragende Torsten Hamann) unterwegs. Immer auf der Suche nach Arbeit auf einer Farm und nach etwas Geld zum Überleben. Immer mit der Hoffnung, dass es dieses Mal ein wenig länger gut gehen wird als bei den vorherigen Versuchen und dabei etwas mehr Gespartes für den Traum einer eigenen Farm herausspringen wird. Doch wie immer werden die sprießenden Hoffnungsschimmer schnell im Keime erstickt: Der körperlich starke, aber geistig schwache Lenny hat einen Tick, der die Probleme schneller als den finanziellen Ertrag wachsen lässt. Alles Weiche muss er streicheln. Da er seine Kräfte nicht einschätzen kann, erdrückt er die pelzigen Mäuse, Kaninchen und kleine Hunde mit seinen Zuneigungsbekundungen. Wenn er wieder einmal einer jungen Frau mit weichen Haaren zu nahe gerückt ist, heißt es "fliehen!" für die Beiden. Weil George außer seiner Überlegenheit gegenüber Lenny wenig für die Aufbesserung seines Selbstbewusstseins hat, mag er sich nicht von seinem noch so problematischen Kameraden trennen. So braucht er sich nicht einzugestehen, dass er auch ohne Lennys Probleme sein Geld für Whiskey und Puff-Vergnügungen ausgeben und es nicht für die erträumte Zukunft sparen würde. Statt Frau und Kinder behält er doch lieber seinen immer ergebenen, treuen, dankbaren und stets gehorsamen Kumpanen bei sich und erspart sich so, dass seine spätpubertierenden Attacken auf alles Weibliche von jemandem kritisiert werden könnten.

Barbara Neureiter hat im Altonaer Theater eine sich langsam entwickelnde Studie dieser Männerbeziehung im Milieu der Landarbeiter nach dem Roman von John Steinbeck "Von Mäusen und Menschen" gezeichnet. In dem kargen Schlafsaal (Bühne: Eva Humburg) als einzigem Spielort werden die banalen Wünsche und zerbrochenen Träume dieser lieber zupackenden als redenden Tatmenschen dargestellt. Mit den Insignien der männlichen Macht - Muskeln, Gewehren, Cowboy-Stiefeln, wiegendem Gang, dreckigen Witzen und einer gehörigen Portion Aggressivität - würzen sie ihren öden Arbeitsalltag und versuchen Struktur in die Hierarchieverhältnisse auf der Farm zu bringen. Bis zum Show-down setzt Neureiter konsequent auf die psychologischen Hintergründe dieser auf Vordergründigkeit setzenden Männer. Torsten Hamann kann mit seiner dezidierten Spielweise des großen, bärenstarken Kindes diese Anforderungen in jeder Hinsicht erfüllen. Zusammen mit den soliden Leistungen der übrigen Darsteller ist ein stimmiger Theaterabend entstanden, der Einblicke in die unterdrückten und kanalisierten Wünsche einer reinen Männerwelt gewährt.

Birgit Schmalmack vom 24.2.03