Der Parasit


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Schiller für Schulklassen

Dies ist eine Schiller-Inszenierung, an der selbst Schulklassen ihre helle Freude haben können. Wolfdietrich Spengler hat den Klassikertext in die Moderne transferiert und ihn gleichzeitig so mit Boulevardelementen versehen, dass die Botschaft überaus klar und auch noch vergnüglich dem Publikum offeriert wurde. Es erfreute sich an allerlei interessanten Gestalten, die einzelne Typen der Gesellschaft so gekonnt überzeichneten.

So gibt es den braven redlichen Beamten Firmin (Hans-Jörg Frey), der uneigennützig still vor sich hin arbeitet und gerne im Verborgenen bleibt. Da gibt den kleinen Angestellten (Helmut Zhuber), der zu intriganten Höchstformen aufläuft, als er seinen mickrigen Posten verliert. Da gibt es den guten Minister (Henning Schminke), der mit Ehrlichkeit, Menschenliebe und Sachverstand Politik für sein Land machen möchte und den die Eitelkeit der Macht einholt. Da gibt es seine altersskurrile Mutter (Volker Mosebach), die auf ihre Weise die Geschicke lenken will und sich in alles einmischt. Da gibt es ein Liebespaar (Felicitas Breest, Matthieu Svetchine), das nicht zueinander kommen kann. Und da gibt es schließlich den Intriganten, Schleimer, Wendehals und "Parasiten" Selicour (Stephan Benson), der sich von einer Regierung zur nächsten mit Ränkespielen durchlaviert und immer nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Er steht für die Unehrlichkeit, das Unvermögen und für die Unmoral. Ethik ist für ihn ein Fremdwort. Zusammen mit dem kleinen Angestellten, der sich in seiner Wut angestachelt fühlt vom ihm zu lernen, liefert er sich einen Schlagabtausch der Täuschungen und Hinterlistigkeiten.

Bei Spengler trägt, im Gegensatz zu Schiller, das Mittelmaß den Sieg davon. Politik ist eben ein schmutziges Geschäft, bei dem die Maßstäbe der Moral leicht ins Wanken kommen können, damals wie heute. Wie auf der rotierenden Drehbühne mit der holzgetäfelten Bürostube und dem schmalen Vorzimmer des Ministers geraten die Ehrlichen dabei ins Drudeln. Zum Schluss strahlt der Parasit: Die Welt des Scheins hat gesiegt. Ehrlichkeit hat keinen Wert mehr auf dieser Welt, die Kläglichkeit wird mit Erfolg belohnt.

Birgit Schmalmack vom 13.9.05