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Suche nach Gefühl

Sie sucht nach Gefühlen. Sie geht auf Autobahnraststätten oder auf den Strich und bietet sich Männern an, um eine kurze Begegnung zu haben. Sie ritzt sich in die Arme, um einen Schmerz zu fühlen. Sie wirft Tabletten ein, um eine Erregung zu spüren. Ihr Freund Michel beschwert sich bei ihr, dass sie zu keinen echten Gefühlen in der Lage sei.

Der Therapeut Dr. Pohn soll ihr helfen. Sie geht jede Woche für fünfzig Minuten zu ihm. Sie berichtet von ihren Ausflügen, von ihren Phantasien und von ihren Träumen, doch der Arzt kann sich nie sicher sein, was sie davon nur spielt. Er kann ihr mit seinen einfachen Ratschlägen ("Bleiben sie ganz bei sich, Nutzen sie ihr Leben, Sprechen sie in ihrer Beziehung über sich") nicht weiter helfen. Da schockt sie ihm mit einem Geständnis: Ich liebe Sie. Ihn, den alten Mann, der ihr Vater sein könnte? Er ist ratlos.

Wer hier mit wem spielt, lässt Autor Thomas Huber bis zum Schluss offen. Wie der Doktor sich langsam einfangen lässt von der jungen quirligen Frau, wie er einen Wochenendtripp mit ihr plant, wie er ihr auch seine Liebe gesteht und wie sie ihn auslacht, zeigt das spannende Kammerspiel auf der Foyerbühne des Altonaer Theaters. Das dramatische Ende macht klar, wer in diesem Spiel die Fäden in der Hand hielt. Der Schauspieler Werner Wölbern inszenierte das Stück in höchster Konzentration auf die psychologische Entwicklung der beiden Personen. Er lässt den beiden Darsteller viel Raum zur Entfaltung. Besonders die junge Lisa Arnold kann zeigen, welch ein schauspielerisches Talent in ihr steckt. Ihr erfahrener Kollege Klaus Falkhausen zeigt den Psychologen als biederen, wohlsituierten und doch einsamen Mann. Auf der vergeblichen Suche nach Gefühlen sind sie beide. Enttäuscht bleiben beide zurück.

Birgit Schmalmack vom 14.9.05