Sitzen in Hamburg


www.hamburgtheater.de

Gemütlich im Unglück eingerichtet

Mascha, Irina und Olga (Katja Hensel, Stefanie Höner, Judith Huber) wollen fliegen. Sie stehen voreinander auf dem schrägen, langen Holztisch im Thalia in der Gaußstraße und breiten die Arme aus. Sie wollen endlich abheben in ein interessanteres, ereignisreicheres Leben - vielleicht in Berlin, in New York, Tokio, Havanna oder Paris. (Moskau ist aus der Wunschliste dieser "Drei Schwestern" nach der Tschechov-Vorlage mittlerweile gestrichen worden.) Doch sie "sitzen in Hamburg" fest.

Die Drei schmoren in ihrer tristen, aber beschaulichen, schwesterlichen WG, in der sie sich gemütlich ohne sichtbare Männer- diese sind nur noch über etwaige Telefonanrufe hörbar - in ihrer Langeweile, ihrem Bedauern und Wehklagen eingerichtet haben. Das schweißt sie solange zusammen, bis die Angeheiratete ihres Bruders Natalja (Barbara Wurster) die Schicksalsgemeinschaft gehörig aufmischt. Die Schwägerin wirft in ihrer wohlgenährten, zupackenden Genussfreudigkeit gut gezielte, kleine Wortbomben ins bewährte Zusammenspiel der Schwestern. So fällt der lange Tisch zum Schluss in drei Einzelteile, die Drei stehen auf ihnen und schreien sich die lang unterdrückten Vorwürfe ins Gesicht, die sie ebenso gut auch gegen sich selbst richten könnten. Durch Natalja, die das Haus ganz für sich und ihr Kind beansprucht, werden sie endlich aus ihrem Elfenbeintürmchen hinaus und ins Leben geworfen.

Als Mascha schon zur Tür hinaus ist, ruft ihr Mann an. Der als völlig unromantisch Geltende greift tatsächlich zur Gitarre und singt für seine Frau ein Liebeslied, bis der Anrufbeantworter voll ist. Ein liebevoll ironischer Hinweis der Inszenierung darauf, dass die Erfüllung der Sehnsüchte nicht unbedingt in New York sondern sogar in Hamburg liegen könnte.

Eine dichte, witzige Umsetzung ist Regisseurin Christiane Pohle gelungen, die dem wohl bekannten Tschechov Text jede Langeweile nimmt und in eine Zeit transferiert, in der das Sitzengelassen-Werden eigentlich aus der Mode gekommen sein sollte.

Birgit Schmalmack vom 18.10.04

www.hamburgtheater.de