Smarthouse


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Willkommen zuhause

Frank ist zuhause im intelligentesten Haus der Welt, dessen Architekt Panosonic ist. Sein "Smarthouse" ist mit einer Zuhause-Software von Microsoft ausgestattet, die nun seinen Alltag programmiert. So bestimmen die vorwiegend männlichen Informatiker mit ihrer normengeformten Phantasie neuerdings seinen Lebensstil. Welche Musik er hört, welche Produkte er benötigt, welche Licht- und Temperatureinstellungen er bevorzugt - alles wird durch den ständigen Bodycheck aufgezeichnet und abgestimmt. Doch wo bleibt er nun als Individuum? Sein kluges Haus besitzt leider keine Fähigkeiten zum Soulcheck. Gefühle sind seiner Computerlogik fremd. Ebenso versagt es beim Erkennen und Umsetzen von Geschlechteridentitäten, die nicht seiner Norm entsprechen. Das Smarthouse denkt eben heterosexuell und erwartet von seinen Bewohnern eine eindeutige Geschlechterdifferenzierung. Frank wohnt jetzt zwar in einem grenzenlosen Haus, da selbst sein Kühlschrank direkt mit dem Internet vernetzt ist, aber das Empfangen von Besuchern, die keine ID-Card besitzen, ist komplizierter geworden. Und wie soll in einem Supermarkt ein Zuhause-Gefühl aufkommen?

Rene Pollesch hat in "Smarthouse 1+2", das im Thalia in der Gaußstraße als Gastspiel des Stuttgarter Schauspielhauses zu sehen war, die schöne, neue Wohn-Welt porträtiert. Ein klar gegliedertes Bühnenbild, das gut zur neuen cleanen Wohnkultur passt, liefert den Rahmen für den pointierten, provokanten und vergnüglichen Redemarathon der vier Bekannten (Kai Schumann, Christian Brey, Silja Bächli, Hanna Scheibe), die auch schon in den www-slums gegen die Globalisierung, den Konsumterror und die Gefühlsarmut ihrer Arbeitswelt zu Felde zogen. Jetzt gibt es ein buntes Lichtpodest, das wie ein Touchscreen auf Berührungen reagiert, und bunte Sitzsäcke, auf die die Sättel geworfen werden. Eine Kamera überwacht das Tun ständig und macht es auf der Leinwand am hinteren Bühnenrand für alle sichtbar.

In der Sprache ist der typische Pollesch-Stil unverkennbar: Endlossätze, Fremdwörterkaskaden, Nebensatzketten in ständigen Wiederholungen mit Variationen und in neuen Kombinationen. Immer wieder schreien die Vier ihre Wut heraus, sowohl über diesen kaum zu merkenden Text wie auch über die Fremdbestimmung in dieser Zuhauseshoppingpiazza. "Aahhh!!!" Die Souffleuse gehört wie stets zum unverzichtbaren Bestandteil der Inszenierung.

Auch wenn das Smarthouse sich im zweiten Teil einen Virus einfängt und die Wohltemperierung in eisiges Schneegestöber (das die Vier endlich wieder die geliebten Reihen mit ihren Scheckkarten ziehen lässt) umschlägt, tat das der Stimmung des Hamburger Publikums keinen Abbruch. Es honorierte die schweißtreibenden Höchstleistungen der Schauspieler mit begeistertem Applaus.

Birgit Schmalmack vom 8.6.03