Calypso


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Bloß nie den Spaß verlieren.

Die "Calypso" ist untergegangen. Sechs Menschen sind fast ertrunken. Triefend nass retten sie sich ans Ufer des Sees. Zitternd vor Kälte und Schock stehen sie da, nicht wissend ob sie heulen, schreien oder lachen sollen.

Eigentlich hatte das wohlhabende Makler-Paar samt erwachsenem Sohn das Ärzte-Paar samt Tochter zu einem netten Bootsausflug mit Picknick am See einladen wollen. Die Gastgeberin (Marion Brockwoldt) findet als erste zu ihrer gewohnt pragmatischen und lebenslustigen Haltung zurück. Noch bevor ihr Freund Gunter die Handtücher angeschleppt hat, reißt sie sich die nassen Kleider vom fülligen Leib und verlangt nach wärmendem Schnaps. So wird der Nässe von außen viel Flüssigkeit von innen zugefügt. Man reißt Witze, blödelt, räsoniert über Dies und Das. Besonders die Gastgeberin ist eine Meisterin im Provozieren. Aus Lust am Spiel und Langeweile reizt sie für ihr Leben gern. In Gunter fand sie ihren gutmütigen Spielgenossen. Nach und nach rutschen die Handtücher und fallen die Hemmungen auch bei den anderen. Doch während die Oberärztin sich hauptsächlich bemüht ihr Gesicht und möglichst auch das ihres Mannes zu waren, steigt der Chefarzt-Gatte im Laufe des Abends gerne auf die immer ausgelasseneren Spielchen ein.

Der Auftragstext von Roland Schimmelpfennig für das Deutsche Schauspielhaus bietet eine interessante Ausgangslage. Sechs Menschen, die sich eigentlich nicht viel zu sagen haben, überleben gemeinsam eine lebensgefährliche Situation. Eine gute Gelegenheit, um die Schrecken der Todesangst je nach Persönlichkeit zu verarbeiten. In "Calypso" führt sie hauptsächlich zur belanglosen Geschwätzigkeit. Die Figuren sparen dabei nicht mit symbolträchtigem Bildungswissen, das die Metaebene ihrer banalen Plaudereien belegen soll, aber bleiben stets in der Vordergründigkeit.

Den Sprücheklopfern gehört die Bühne. Bloß nie den Spaß verlieren! Starke Momente entstehen, wenn die Figuren kurzzeitig hinter ihre Fassaden blicken lassen. Doch schnell deckt ein flotter Spruch oder ein derber Joke die Abgründe zu. Viel zu schnell um einen länger währenden Eindruck zu hinterlassen. Denn in einer vergnügungssüchtigen Spaßgesellschaft darf Tiefgründigkeit keinen Platz haben. So bleibt alles an der Oberfläche. Auch wenn diese Aussage die leitende Idee von Jürgen Gosch in seiner Inszenierung gewesen sein sollte, kommt sie ein wenig zu eindimensional daher. Die Doppelbödigkeit hätte ruhig deutlicher zu spüren sein dürfen und nicht bloß in den Momenten, in denen die Szenerie einfriert und wie für einen entlarvenden Schnappschuss stehen bleibt. So bleibt amEnde die Erinnerung an gute Absichten, schnelle Lacher, peinliche Momente, überdeutliche Symbolik und wenige ergreifende Augenblicke.

Birgit Schmalmack vom 2.4.08